Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
war; mit Raumschiffen transportierte Nachrichtendisketten brauchten für die Reise zwischen den bei den Welten fast so lange wie ein Mensch, fast zwei Wochen.
Folglich handelte es sich hierbei um die neueste Nachricht von seinen Eltern, und sie würde ihre Reaktionen auf wiederum die neuesten Nachrichten enthalten, die sie ihrerseits erhalten hatten.
Er holte tief Luft und rief sie an der Konsole auf.
Sie hatten sich ein Stück von der Vid-Kamera weggesetzt, damit sie beide ins Bild paßten, und so erschienen sie jetzt über seiner Vid-Scheibe als kleine lächelnde Halbfiguren. Graf Aral Vorkosigan war ein stämmiger, weißhaariger Mann in den frühen Sechzigern, gekleidet in die braun-silberne Uniform des Hauses Vorkosigan; diese Botschaft mußte folglich irgendwann während seines Arbeitstages aufgenommen worden sein. Die Gräfin trug eine Jacke und einen Rock in Grün, im Nachmittagsstil einer Vor-Dame. Ihr rotes Haar mit den grauen Strähnen wurde von reichverzierten Kämmen in ihrem üblichen Stil aus der breiten Stirn zurückgehalten. Sie war so groß wie ihr Gemahl, und ihre grauen Augen tanzten amüsiert.
Sie wissen es noch nicht. Noch hat es ihnen niemand gesagt.
Miles wußte es mit zunehmender Sicherheit, bevor noch einer von beiden den Mund auftat.
»Hallo«, begann die Gräfin. »Meinen Glückwunsch, daß du deinen dreißigsten Geburtstag lebend erreicht hast.« »Ja«, pflichtete ihr der Graf bei. »Wir haben uns wirklich oft gefragt, ob du es schaffen würdest. Doch jetzt erleben wir’s ja.
Ein bißchen mitgenommen, aber nach eingehender Betrachtung der Alternativen sind wir so doch glücklich. Ich mag hier auf Sergyar weit von dir entfernt sein, aber ich kann jeden Morgen in den Spiegel schauen und wegen all dieser weißen Haare an dich denken.« »Das stimmt nicht, Miles«, widersprach die Gräfin grinsend.
»Er fing schon an, grau zu werden, als ich ihn kennenlernte, mit etwas mehr als vierzig. Ich allerdings habe meine grauen Haare erst später bekommen.« »Du fehlst uns«, fuhr der Graf fort. »Bestehe darauf, daß deine Reise zu deiner nächsten Mission über Sergyar führt, hin oder zurück oder in beiden Richtungen, und plane wenigstens einen kurzen Aufenthalt ein. Hier ereignet sich soviel, was für die Zukunft des Kaiserreiches von Bedeutung ist. Ich weiß, es würde dich interessieren, etwas davon zu erleben.« »Ich würde Simon heimleuchten, wenn er dich nicht vorbeischickt«, fügte die Gräfin hinzu. »Du kannst ihm das als meine persönliche Drohung übermitteln. Alys sagt mir, daß du schon einige Wochen zu Hause bist. Warum haben wir nicht von dir gehört? Feierst du zu viele Parties mit Ivan, als daß du dir zehn Minuten nehmen kannst, um etwas für deine alternden Eltern zu sprechen?« Lady Alys hatte es anscheinend ebenfalls abgelehnt, die Überbringerin selbst der nichtgeheimen Version der schlechten Nachricht zu sein, und sie war doch normalerweise die hauptsächliche Klatschlieferantin der Gräfin für alles von Vor-Interesse, was sich in Vorbarr Sultana und an Gregors Hof ereignete.
»Da wir gerade von Alys reden«, fuhr die Gräfin fort, »sie sagt mir, daß Gregor ein bestimmtes Mädchen getroffen hat – und ihre Stimme klingt dabei sehr bedeutungsvoll. Was weißt du darüber?
Hast du sie schon gesehen? Sollen wir glücklich sein oder besorgt, oder was?« »Eine kaiserliche Heirat mit einer Komarranerin«, sagte Graf Vorkosigan – der einst von seinen politischen Feinden, von denen er die meisten überlebt hatte, den Beinamen ›Der Schlächter von Komarr‹ bekommen hatte –, »ist mit potentiellen Komplikationen befrachtet. Aber zu diesem späten Zeitpunkt werde ich tun, was immer ich kann, um das Projekt zu unterstützen, falls Gregor nur seine Pflicht erfüllt und irgendwie einen passenden Kronprinzen hervorbringt. Und wir alle in meiner Generation, die wir zur Gruppe potentieller Erben gehören, werden einen großen Seufzer der Erleichterung ausstoßen. Versichere Gregor meiner vollen Unterstützung. Ich vertraue seinem Urteil.« Das Gesicht des Grafen wurde seltsam wehmütig. »Ist sie ein nettes Mädchen? Gregor verdient ein bißchen persönliches Glück, als Entschädigung für den ganzen Unsinn, den er auf der anderen Seite für uns alle trägt.« »Alys sagt, sie eignet sich dafür«, bemerkte die Gräfin, »und ich vertraue auf Alys’ Urteil. Allerdings weiß ich nicht, ob sich die junge Dame ganz bewußt ist, wo sie da hineingerät. Bitte versichere
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