Vorsätzlich verliebt
Rose liebte ihre Großmutter sehr. Wir liebten sie beide.«
»Lebte sie noch, als … der Unfall passierte?« Aus irgendeinem Grund hatte Tilly angenommen, Roses Alzheimer-Oma sei schon vor vielen Jahren gestorben.
»O ja.« Jack atmete langsam aus. »Auf der Beerdigung fragte sie ständig, wer denn gestorben sei. Bei der Trauerfeier sah sie sich alle zehn Minuten um und fragte: ›Wo ist Rose? Warum ist sie nicht hier? Wirklich, dieses Mädchen würde zu ihrer eigenen Beerdigung zu spät kommen.‹ Und ich muss sagen, das war schon weniger lustig. Jedes Mal, wenn ihr jemand sagte, wer gestorben war, schien es, als hörte sie es zum ersten Mal. Und das war kaum zu ertragen.« Er verstummte, schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass ich Ihnen das alles erzähle. Das mache ich normalerweise nicht.«
Wenn er nicht eine so herzzerreißende Geschichte erzählt hätte, wäre Tilly vielleicht versucht gewesen, ihm darauf zu antworten, dass er für gewöhnlich auch viel zu sehr damit beschäftigt sei, andere Dinge zu tun.
Aber das konnte sie in diesem Augenblick nicht aussprechen. Sie hatte einen Frosch, so groß wie ein Tennisball, im Hals und war sich nicht sicher, ob sie überhaupt etwas sagen konnte.
»Eigentlich stimmt das nicht«, fuhr Jack fort. »Eigentlich weiß ich genau, warum ich das tue.« Noch eine Pause, dann schüttelte er den Kopf. »Sollen wir das Thema wechseln?«
Tilly nickte. Sie konnte noch nicht wieder sprechen. Und ganz plötzlich fühlte sie, wie ihr ganzer Körper wie von einem Magneten in seine Richtung gezogen wurde. Da war sein Bein, und da war ihres, direkt daneben. Spürte Jack, was geschah? Wusste er, dass jeder einzelne Nerv ihres Körpers mit einer Dringlichkeit, die völlig außerhalb ihrer Kontrolle lag, prickelte und summte? Sie wollte ihn berühren, ihn halten, seinen furchtbaren Kummer lindern, ihn trösten … O Gott, das musste der berüchtigte »tragischer Witwer«-Effekt sein, das unfehlbare Mittel, mit dem Jack die Frauen dazu brachte, ihre Prinzipien in den Wind zu schießen, ihren freien Willen, ihre Würde …
»Nur zu.« Er sah sie an. »Sie entscheiden.«
Als er das sagte, berührte seine Hand kurz die ihre, und Tilly spürte das Knistern zwischen ihnen. Sie hörte, wie ihr Atem schneller wurde. »Was entscheide ich?«
»Wir wechseln das Thema. Zu etwas Fröhlicherem.«
Fröhlicher, fröhlicher. Sie schluckte mühsam. »Wie wäre es mit Handtaschen?«
»Das wäre gemogelt.« Jack schüttelte bedächtig den Kopf.
»Cricket?«
»Prima, lassen Sie uns über Cricket reden.«
»Ich hasse Cricket.« Bildete sie sich das nur ein, oder rutschte er näher?
»Wir könnten über Italien sprechen.« Also gut, sein Mund war definitiv nicht mehr so weit weg wie noch vor zwanzig Sekunden. »Waren Sie schon einmal in Italien?«
»Nein.«
»Ach herrje. Uns gehen die Gesprächsthemen aus.« Er wartete. »Wenn ich dir sage, dass ich dich mag, würdest du dann glauben, es wäre nur so ein Spruch?«
Tilly brachte ein Nicken zustande.
»Tja, es ist aber keiner. Es ist die Wahrheit. Ich mag dich wirklich. Sehr. Ehrlich gesagt, macht mir das ein wenig Sorge. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich zulassen will.«
War das seine Masche? War das sein oft geübter Aufreißerspruch? Höchstwahrscheinlich. Sie stellte sich vor, wie er ihn einer endlosen Abfolge williger Frauen immer und immer wieder zuraunte – jede von ihnen fiel darauf herein und glaubte, sie sei die Frau, die ihn ändern, das kalte Herz des tragischen Witwers zum Schmelzen bringen konnte …
O Gott, aber was, wenn es
kein
Aufreißerspruch war? Was, wenn es ihm dieses Mal tatsächlich ernst damit war?
»Und falls du dich fragen solltest«, fuhr Jack mit leiser Stimme fort, »es hat mich gestern Abend fast umgebracht, mein Versprechen zu halten.«
Hatte es das? Wirklich? Er sah aus, als sagte er die Wahrheit. Er klang glaubhaft. Und er hatte den unglaublichsten Mund, den sie je gesehen hatte. Atemlos hauchte Tilly: »Ich dachte, du hättest kein Interesse.«
Er lächelte schief mit seinem unglaublichen Mund. »O doch, ich hatte Interesse!«
In Tillys Magen schwärmten die Schmetterlinge aus. »Ich wünschte nur, du hättest keinen solchen Ruf.«
»Ich weiß. Ich auch. Ich bin nicht stolz auf manche der Dinge, die ich getan habe.«
»Wie diese Amy aus dem Fox. Soweit es dich betraf, bedeutete es nichts. Aber dennoch hast du mit ihr geschlafen. Sie hat damit geprahlt«, erzählte Tilly.
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