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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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wahr? Das legt auch die Frage nahe, wie viele Tote Miss Robarts denn als bedenklich angesehen hätte.«
    Alex Mair schaute ihn an, als sei er überrascht, daß Oliphant überhaupt reden könne. Er überlegte und antwortete dann:
    »Vergleicht man die Zahl der Toten in Tschernobyl mit den tödlichen Unfällen in der Industrie oder bei der Gewinnung fossiler Brennstoffe, brachte sie ein durchaus vernünftiges Argument vor, selbst wenn sie es mit mehr Takt hätte äußern sollen. Tschernobyl ist ein heikles Thema. Es kann einem manchmal schon zuviel werden, wenn man den Leuten immer wieder erklären muß, daß der russische Atomreaktortyp eine Anzahl von Konstruktionsmängeln hat, daß er insbesondere einen schnell einsetzenden positiven Leistungskoeffizienten aufweist, wenn der Reaktor auf niedriger Leistungsstufe gefahren wird. Reaktoren vom Typ Magnox oder auch Druckwasserreaktoren haben bei keiner Leistungsstufe diese Eigenheit, so daß ein ähnlicher Unfall hierzulande unmöglich ist. Es tut mir leid, wenn es für Sie Fachchinesisch ist. Was ich damit ausdrücken möchte, ist: Zu einem derartigen Unfall wird es hier nicht kommen, kann es hier nicht kommen und ist es bisher auch nicht gekommen.«
    »Es spielt wohl kaum eine große Rolle, ob so etwas hier geschehen kann oder nicht, wenn wir die Folgen zu spüren bekommen, Sir«, entgegnete Sergeant Oliphant ungerührt.
    »Wollte Hilary Robarts nicht jemand vom Ort wegen angeblich verleumderischer Behauptungen, die bei der von mir besuchten Veranstaltung fielen, verklagen?«
    Alex Mair ignorierte ihn und wandte sich an Rikkards: »Das dürfte inzwischen allgemein bekannt sein. Ich hielt es für einen Fehler. Sie hatte zwar – rechtlich gesehen – gute Gründe dafür, aber es hätte ihr nicht viel eingebracht, wenn sie vor Gericht gegangen wäre.«
    »Haben Sie versucht, es ihr im Interesse des AKWs auszureden?« fragte Rikkards.
    »Auch in ihrem eigenen Interesse. Ja, ich habe es versucht.« Das Telephon auf dem Schreibtisch schrillte. Dr. Mair hob ab. »Es wird nicht mehr lange dauern«, sagte er. »Richten Sie ihm aus, ich würde in zwanzig Minuten zurückrufen.«
    Rikkards fragte sich, ob Dr. Mair den Anruf arrangiert haben könnte. Und als wollte er den Verdacht bestätigen, fuhr Dr. Mair fort: »Im Hinblick auf meine frühere Beziehung zu Miss Robarts möchten Sie doch sicherlich wissen, was ich am Sonntag getan habe. Vielleicht sollte ich es Ihnen jetzt erklären. Wir haben ja beide noch einen arbeitsreichen Tag vor uns.«
    Es war ein unverhohlener Wink mit dem Zaunpfahl, daß sie endlich zur Sache kommen sollten.
    »Das würde uns sicherlich weiterhelfen, Sir«, erwiderte Rikkards gelassen.
    Gary Price beugte sich beflissen über seinen Schreibblock, als hätte man ihn der Unaufmerksamkeit bezichtigt.
    »Was ich bis zum Sonntag abend getan habe«, redete Dr. Mair weiter, »ist wohl für Ihre Untersuchung nicht so wichtig. Dennoch möchte ich Ihnen schildern, wie ich das Wochenende verbracht habe. Am Freitag vormittag bin ich gegen Viertel vor 11 nach London gefahren. Da habe ich mit einem Studienkollegen im Reform-Club zu Mittag gegessen und hinterher gegen halb 3 den Staatssekretär im Energieministerium getroffen. Danach bin ich zu meiner Wohnung im Barbican-Block gefahren. Am Abend habe ich zusammen mit drei Bekannten eine Aufführung von The Taming of the Shrew im Barbican Theatre besucht. Selbstverständlich kann ich Ihnen deren Namen angeben, falls Sie eine Bestätigung meiner Aussage benötigen. Am Sonntag vormittag bin ich wieder nach Larksoken gefahren. Unterwegs habe ich noch in einem Pub geluncht. Gegen 4 Uhr nachmittags war ich zu Hause. Nach dem Tee machte ich einen Spaziergang auf der Landzunge und war eine Stunde darauf wieder in Martyr’s Cottage. Gegen 7 aß ich mit meiner Schwester zu Abend und fuhr dann gegen halb 8 oder etwas später zum AKW. Ich arbeitete allein im Computerraum bis halb 11 und fuhr dann nach Hause. Auf der Küstenstraße hielt mich Commander Dalgliesh an und eröffnete mir, daß Hilary Robarts ermordet worden sei. Das übrige wissen Sie ja.«
    »Nicht ganz, Dr. Mair«, wandte Rikkards ein. »Mir geht’s um die Zeitspanne vor unserer Ankunft. Sie haben die Tote doch nicht berührt?«
    »Ich habe sie mir angesehen, sie aber nicht berührt. Commander Dalgliesh hat seine Arbeit – oder sollte ich besser sagen, Ihre Arbeit – ziemlich gewissenhaft erledigt. Es wies mich darauf hin, daß ich am Tatort nichts

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