Vorsatz und Begierde (German Edition)
mochte er auch noch so unbedeutend sein, mit einem breiten Lächeln begrüßte und ihm eine Tasse von ihrem Bürokaffee und Kekse anbot, was man jedoch tunlichst ausschlagen sollte.
Sie folgten Miss Amphlett an weitläufigen Rasenflächen vorbei zum Verwaltungstrakt. Sie gehörte zu den Frauen, die Männer unsicher machen. Sergeant Oliphant überkam plötzlich das Bedürfnis, sein Selbstbewußtsein vorzuführen, was sich darin äußerte, daß er mit seinem Wissen zu prahlen begann.
»Das Gebäude zu unserer Rechten ist das Turbinenhaus, Sir. Der Reaktor und die Kühltürme liegen dahinter. Links ist das Werkstattgebäude. Es handelt sich um einen Magnox-Thermalreaktor, der 1956 entwickelt wurde. Man hat es uns genau erklärt, als uns die Anlage gezeigt wurde. Sie wird mit Uran betrieben. Um die Neutronen einzudämmen und das natürliche Uran bestmöglich auszunützen, hat man den Brennstoff mit einer Magnox genannten Magnesiumlegierung ummantelt, die sich durch eine niedrige Neutronenabsorption auszeichnet. Von ihr hat dieser Reaktortyp auch seinen Namen. Die Wärme wird gewonnen, indem man Kohlendioxidgas über den Brennstoff im Reaktorkern leitet. Dieses gibt die Wärme an das Wasser im Dampfgenerator ab. Und der Dampf treibt eine mit einem Stromgenerator verbundene Turbine an.«
Rikkards hätte es lieber gesehen, wenn Sergeant Oliphant in Gegenwart von Miss Amphlett seine oberflächlichen Kenntnisse über Atomkraft für sich behalten hätte. So konnte er nur hoffen, daß die Angaben stimmten.
»Dieser Reaktortyp ist inzwischen veraltet«, redete Sergeant Oliphant weiter. »Er wird durch den Druckwasserreaktor ersetzt, den man etwa in Sizewell baut. Man hat mir die Anlage in Sizewell ebenso vorgeführt wie die hier in Larksoken. Ich dachte mir, man sollte möglichst viel von dem erfahren, was in solchen Anlagen vor sich geht.«
Und wenn du wirklich was gelernt hast, du Trampeltier, dachte Rikkards, bist du noch klüger, als du meinst.
Der Raum auf der zweiten Etage im Verwaltungstrakt, in den man sie brachte, kam Rikkards riesengroß vor. Er wirkte nahezu leer. Einrichtung und Lichtverhältnisse waren genau auf den Mann abgestimmt, der sich nun hinter seinem großen, schwarzen, modernen Schreibtisch erhob und mit gewichtiger Miene wartete, während sie über den endlos scheinenden Teppich auf ihn zugingen. Sie begrüßten sich mit Handschlag. Alex Mairs Hand fühlte sich kräftig und kühl an.
Rikkards hatte schon die ersten Augenblicke genutzt, um sich in dem Raum umzusehen. Zwei Wände waren in einem hellen Grau gestrichen. Die übrigen beiden, die nach Osten und die nach Süden, bestanden aus Glaspaneelen, die vom Boden bis zur Decke reichten und eine Aussicht auf den Himmel, das Meer und die Landzunge boten. Es war ein diesiger Vormittag. Das fahle, diffuse Tageslicht verwischte den Horizont, so daß Meer und Himmel zu einer schimmernden grauen Fläche verschmolzen. Einen Augenblick lang hatte Rikkards das Gefühl, schwerelos in einer futuristischen Raumkapsel irgendwo im Weltraum zu schweben.
Die Einrichtung war spärlich. Alex Mairs aufgeräumter Schreibtisch, vor dem ein hoher, aber bequemer Besuchersessel stand, war dem Südfenster zugekehrt. Davor war ein Konferenztisch mit acht Stühlen plaziert. Unweit des Ostfensters befand sich ein kleiner Tisch, auf dem, wie Rikkards annahm, ein Modell des neuen Druckwasserreaktors zur Schau gestellt war, der auf dem Gelände errichtet werden sollte. An der Nordwand hing ein einziges großformatiges Ölbild, das einen mit einem Gewehr bewaffneten Mann auf einem mageren Klepper zeigte. Die Landschaft ringsum wirkte wüstenhaft und öde; in der Ferne waren Berge zu sehen. Die Gesichtszüge des Mannes waren nicht zu erkennen. Er trug einen übergroßen, quaderförmigen Helm aus schwarzem Metall, der mit Augenschlitzen versehen war. Rikkards fand das Bild irgendwie beunruhigend. Er konnte sich dunkel erinnern, daß er eine Kopie des Bildes schon irgendwo gesehen hatte und daß der Maler ein Australier war. Plötzlich kam ihm der irritierende Gedanke, daß Adam Dalgliesh bestimmt gewußt hätte, was das Bild darstellen sollte und wer es gemalt hatte.
Dr. Mair ging zum Konferenztisch, packte einen der Stühle und stellte ihn vor seinen Schreibtisch. Sie sollten ihm also gegenübersitzen. Gary Price zögerte einen Augenblick, holte sich dann gleichfalls einen Stuhl, den er hinter Dr. Mair plazierte, und zog seinen Schreibblock hervor.
Als Rikkards Dr. Mair in
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