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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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daß alles noch mal von vorn anfängt, ist grauenhaft!«
    Alice Mair erhob sich. »Du brauchst jetzt erst mal einen Kaffee, Meg. Chief Inspector Rikkards und Sergeant Oliphant haben ihn abgelehnt, aber ich glaube, wir beide brauchen ihn.«
    Das wollte ihr Rikkards nicht durchgehen lassen. Energisch sagte er: »Wenn Sie nun schon Kaffee machen, Miss Mair, hätte ich wohl doch gern einen. Und Sie vermutlich auch, Sergeant.«
    Nun, dachte er, ergibt sich eine weitere Verzögerung, während sie den Kaffee mahlt und niemand etwas sagen kann, weil es so laut ist. Warum kann sie nicht einfach Kaffeepulver mit kochendem Wasser übergießen, wie alle anderen?
    Aber als der Kaffee kam, war er ganz ausgezeichnet, und er fand ihn überraschend köstlich. Mrs. Dennison nahm ihren Becher in beide Hände und hielt ihn fest wie ein Kind seine Milch zur Schlafenszeit. Dann stellte sie ihn auf den Kaminsims und wandte sich an Rikkards.
    »Hören Sie, vielleicht sollte ich doch lieber gehen. Ich trinke nur meinen Kaffee aus und kehre dann ins Pfarrhaus zurück. Falls Sie mich noch sprechen möchten – ich werde heute den ganzen Tag dort bleiben.«
    »Du kannst ebensogut hierbleiben und dir anhören, was gestern abend geschehen ist«, widersprach ihr Miss Mair. »Es gibt ein paar durchaus interessante Punkte dabei.« Dann wandte sie sich an Rikkards. »Wie ich schon sagte, war ich ab halb 6 den ganzen Abend hier. Mein Bruder verließ das Haus kurz nach halb 8, um zum Kraftwerk zu gehen, und ich setzte mich an meine Korrekturarbeiten. Weil ich nicht gestört werden wollte, schaltete ich den Anrufbeantworter an.«
    »Und Sie haben das Cottage während des ganzen Abends kein einziges Mal verlassen?« erkundigte sich Rikkards.
    »Nicht bis halb 10; da bin ich zu den Blaneys gefahren. Aber vielleicht sollte ich Ihnen die Geschichte der Reihenfolge nach erzählen, Chief Inspector. Gegen zehn nach 8 habe ich den Beantworter abgeschaltet, weil ich dachte, es könnte ein wichtiger Anruf für meinen Bruder kommen. Dabei habe ich George Jagos Nachricht vom Tod des Whistlers gehört.«
    »Sie haben niemanden angerufen, um diese Nachricht weiterzugeben?«
    »Ich wußte, daß das nicht nötig war. Jago unterhält einen persönlichen Informationsdienst. Er würde mit Sicherheit dafür sorgen, daß alle davon erfuhren. Also kehrte ich in die Küche zurück und arbeitete bis halb 10 an meinen Druckfahnen. Dann fiel mir ein, daß ich Hilary Robarts’ Porträt bei Ryan Blaney abholen könnte. Ich hatte ihm versprochen, es auf dem Weg nach London bei der Galerie in Norwich abzuliefern, und wollte am folgenden Morgen früh losfahren. Ich neige dazu, es mit der Zeit übergenau zu nehmen, und wollte keinen auch noch so kleinen Abstecher machen. Zuvor rief ich in Scudder’s Cottage an, um ihm zu sagen, daß ich das Porträt abholen werde, aber der Anschluß war besetzt. Ich versuchte es mehrmals, dann holte ich den Wagen heraus und fuhr hinüber. Auf einem Zettel, den ich unter der Tür hindurchschieben wollte, teilte ich ihm mit, daß ich das Bild, wie verabredet, abgeholt hätte.«
    »War das nicht ein bißchen ungewöhnlich, Miss Mair? Warum haben Sie nicht angeklopft und es sich bei ihm persönlich abgeholt?«
    »Weil er mir, als ich es zum erstenmal sah, ausführlich beschrieb, wo er es abgestellt hatte, und wo ich den Lichtschalter links von der Tür finden könne. Das war für mich ein deutlicher Hinweis darauf, daß er auf gar keinen Fall durch einen Besuch im Cottage gestört werden wollte. Damals war Mr. Dalgliesh in meiner Begleitung.«
    »Aber das ist doch merkwürdig, nicht wahr? Er muß es für ein gutes Porträt gehalten haben; sonst hätte er es nicht ausstellen wollen. Meinen Sie nicht, daß er es Ihnen gern persönlich ausgehändigt hätte?«
    »Sie etwa? Mir kam es nicht so vor. Er ist ein extrem menschenscheuer Mann und lebt seit dem Tod seiner Frau sogar noch zurückgezogener. Er mag keinen Besuch, vor allem keine Frauen, die mit kritischem Blick die Ordnung im Haus und den Zustand der Kinder mustern. Das kann ich verstehen. Ich wäre auch nicht begeistert davon gewesen.«
    »Also gingen Sie geradewegs zum Atelier? Wo liegt das?«
    »Ungefähr dreißig Meter links vom Cottage. Ein kleiner Holzschuppen. Ich könnte mir vorstellen, daß es ursprünglich ein Waschhaus oder eine Räucherkammer gewesen ist. Den Weg beleuchtete ich mit einer Taschenlampe, obwohl das kaum nötig gewesen wäre, weil der Mond so außergewöhnlich hell schien.

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