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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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erkennen.
    »Miss Mair, nach allem, was Sie von Mr. Blaney an jenem Abend gesehen haben – sind Sie der Meinung, daß er einen Wagen gefahren haben könnte?«
    »Ausgeschlossen. Übrigens hatte er gar keinen Wagen zur Verfügung. Er besitzt zwar einen kleinen Lieferwagen, aber der ist vor kurzem nicht mehr durch die Zulassungsprüfung gekommen.«
    »Oder ein Fahrrad?«
    »Versucht haben könnte er es, aber er wäre mit Sicherheit prompt in den Graben gefallen.«
    Rikkards stellte insgeheim bereits seine Berechnungen an. Das Ergebnis der Autopsie würde er frühestens am Mittwoch bekommen, aber wenn Hilary Robarts, wie gewöhnlich, unmittelbar nach den ersten Nachrichten zum Schwimmen gegangen war, die am Sonntagabend um zehn nach 9 kamen, mußte sie gegen halb 10 gestorben sein. Um Viertel vor 10 oder ein bißchen später hatte sich Ryan Blaney, laut Alice Mair, betrunken in seinem Cottage befunden. Also war es absolut unvorstellbar, daß er diesen außergewöhnlich phantasievollen Mord begangen hatte, der eine sichere Hand, starke Nerven und die Fähigkeit zum Vorausplanen erforderte, und um Viertel vor 10 wieder in seinem Cottage war. Wenn Alice Mair die Wahrheit sagte, hatte sie Blaney ein Alibi geliefert. Er dagegen würde wohl kaum in der Lage sein, ihr eins zu geben.
    Rikkards hatte Meg Dennison fast vergessen, nun aber blickte er zu ihr hinüber. Sie saß da, die Hände im Schoß wie ein bekümmertes Kind, und hatte ihren Kaffee auf dem Kaminsims nicht angerührt.
    »Mrs. Dennison, wußten Sie schon gestern abend, daß der Whistler tot ist?«
    »Aber ja! Mr. Jago hat auch mich angerufen. So etwa gegen Viertel vor 10.«
    »Vermutlich hat er dich schon früher zu erreichen versucht«, warf Alice Mair ein, »aber du warst mit den Copleys unterwegs zum Bahnhof von Norwich, nicht wahr?«
    Meg Dennison wandte sich direkt an Rikkards: »Das wäre ich tatsächlich gewesen, aber das Auto streikte. Ich mußte Sparks mit seinem Taxi rufen. Zum Glück hatte er Zeit, mußte aber direkt nach Ipswich weiterfahren und konnte mich nicht zurückbringen. Deswegen hat er die Copleys an meiner Stelle zum Zug gebracht.«
    »Haben Sie den Alten Pfarrhof irgendwann im Laufe des Abends verlassen?«
    Mrs. Dennison hob den Kopf und sah ihm in die Augen.
    »Nein«, antwortete sie. »Nachdem ich sie zum Wagen gebracht hatte, nicht mehr.« Sie hielt inne und fuhr dann fort: »Tut mir leid, aber ich bin doch ganz kurz in den Garten gegangen. Richtiger gesagt, ich habe das Grundstück nicht verlassen. Und wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen – ich möchte nach Hause.«
    Sie erhob sich und wandte sich abermals an Rikkards: »Falls Sie noch Fragen an mich haben, Chief Inspector – ich bin im Alten Pfarrhof.«
    Sie war fort, noch ehe die beiden Herren aufspringen konnten, ja, sie floh beinah zur Tür hinaus. Miss Mair machte keinerlei Anstalten, ihr zu folgen, und kurz darauf hörten sie die Haustür ins Schloß fallen.
    Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann wurde es von Oliphant gebrochen. Mit einem Nicken zum Kamin hinüber sagte er: »Komisch. Sie hat ihren Kaffee nicht angerührt.«
    Doch Rikkards hatte noch eine letzte Frage an Alice Mair. »Es muß schon fast Mitternacht gewesen sein, als Dr. Mair gestern nacht nach Hause kam. Haben Sie im Kraftwerk angerufen, um festzustellen, ob er schon fort ist oder warum er aufgehalten wurde?«
    Mit abweisender Kühle antwortete sie ihm: »Natürlich nicht, Chief Inspector. Da Alex weder mein Kind noch mein Ehemann ist, leide ich nicht unter dem Zwang, sein Leben kontrollieren zu wollen. Ich bin nicht meines Bruders Hüter.«
    Oliphant hatte sie die ganze Zeit mit finsterem, argwöhnischem Blick angestarrt. Nun sagte er: »Aber er lebt doch bei Ihnen, nicht wahr? Sie sprechen miteinander, oder nicht? Also müssen Sie zum Beispiel von seinem Verhältnis mit Hilary Robarts gewußt haben. Waren Sie damit einverstanden?«
    Alice Mairs Gesichtsfarbe veränderte sich nicht, doch ihre Stimme klang wie Stahl. »Einverstanden sein oder nicht wäre genauso anmaßend und impertinent gewesen wie diese Frage. Wenn Sie das Privatleben meines Bruders erforschen wollen, schlage ich vor, daß Sie mit ihm selber sprechen.«
    »Miss Mair«, sagte Rikkards ruhig, »eine Frau ist brutal ums Leben gebracht und ihr Leichnam verstümmelt worden. Es handelt sich um eine Frau, die Sie kannten. Angesichts dieser Gewalttätigkeit hoffe ich, daß Sie nicht meinen, auf Fragen, die Ihnen leider zuweilen

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