Vorsatz und Begierde (German Edition)
gehabt. Und jetzt war es nicht anders.
Nach dem üblichen Vorgeplänkel fragte Rikkards: »Wußten Sie von der Beziehung zwischen Dr. Mair und Miss Robarts?«
»Er war eben der Direktor und sie seine Abteilungsleiterin.«
»Ich denke an ihre intimere Beziehung.«
»Gesagt hat mir davon niemand etwas. Aber da mir meine Mitmenschen nicht gänzlich gleichgültig sind, kam auch ich auf den Gedanken, daß sie eine Affäre miteinander hätten.«
»Wußten Sie auch, daß sie zu Ende war?«
»Auch das habe ich angenommen. Sie haben mir jedenfalls nicht anvertraut, wann sie begann und wann sie endete. Sie sollten da besser Dr. Mair befragen, wenn sie Einzelheiten aus seinem Privatleben erfahren möchten. Ich habe mit meinem schon genug Probleme.«
»Haben Sie bemerkt, daß diese Beziehung zu irgendwelchen Schwierigkeiten führte, etwa Mißgunst, den Vorwurf der Begünstigung oder Eifersucht?«
»Ich habe nichts dergleichen empfunden, das kann ich Ihnen versichern. Meine Interessen sind anders geartet.«
»Und wie war’s bei Miss Robarts? Hatten Sie den Eindruck, daß sie das Ende der Affäre ohne jeglichen Groll hinnahm? War sie beispielsweise verstört?«
»Falls sie es war, so hat sie sich nicht an meiner Schulter ausgeweint. Außerdem hätte sie dafür bestimmt nicht meine Schulter erwählt.«
»Und Sie haben keine Ahnung, wer sie umgebracht haben könnte?«
»Nicht die geringste.«
Sie schwiegen. »Mochten Sie Miss Robarts?« fragte Rikkards dann.
»Nein.«
Einen Augenblick lang war Rikkards verwirrt. Solche Fragen hatte er bei einer Morduntersuchung schon öfters gestellt. Und zumeist hatten sie auch eine aufschlußreiche Reaktion hervorgerufen. Nur wenige Verdächtige gaben zu, ohne sich dabei in weitschweifigen Erklärungen oder Rechtfertigungen zu verheddern, daß sie das Mordopfer nicht gemocht hatten. Nach einer Weile – Lessingham war offensichtlich nicht bereit, seine Aussage zu erläutern – fragte Rikkards:
»Warum nicht, Mr. Lessingham?«
»Es gibt nur wenige Menschen, die ich tatsächlich mag und nicht bloß toleriere. Sie gehörte nicht zu dieser Gruppe. Ich habe allerdings keinen stichhaltigen Grund dafür. Muß ich überhaupt einen haben? Es kann doch sein, daß Sie den Sergeant auch nicht mögen und umgekehrt. Das heißt aber noch lange nicht, daß einer von Ihnen die Ermordung des anderen plant. Und da wir schon von Mord sprechen – deswegen bin ich ja hier, nehme ich an –, ich habe für den Sonntag abend ein Alibi. Ich kann es Ihnen meinetwegen jetzt schon erläutern. Ich besitze ein Segelboot, das drüben in Blakeney liegt. Mit der Morgenflut bin ich losgesegelt und bis etwa 10 Uhr abends draußen geblieben. Ich kann Ihnen jemand nennen, der meine Abfahrt bezeugen wird. Es ist Ed Wilkinson, dessen Liegeplatz für sein Fischerboot sich neben meinem befindet. Leider habe ich keinen Zeugen für meine Rückkehr. Am Vormittag war der Wind zum Segeln ideal. Danach habe ich geankert, Dorsche und Königsfische geangelt, sie zubereitet und ausgiebig geluncht. Ich hatte also reichlich zu essen, dazu noch Wein, Bücher und mein Radio. Ich vermißte gar nichts. Es mag vielleicht kein überzeugendes Alibi sein, aber es hat den Vorzug, daß es wahr ist.«
»Hatten Sie ein Beiboot mitgenommen?« fragte Sergant Oliphant.
»Ich hatte mein aufblasbares Beiboot mitgenommen und es auf dem Kabinendach festgezurrt. Außerdem gestehe ich – selbst auf die Gefahr hin, daß Sie Morgenluft wittern –, daß ich auch mein Klapprad dabeihatte. Aber ich habe weder die Landzunge von Larksoken noch einen anderen Teil der Küste angesteuert, um Hilary Robarts umzubringen.«
»Haben Sie vielleicht Miss Robarts zu irgendeinem Zeitpunkt gesichtet?« erkundigte sich Rikkards. »Waren Sie in Sichtweite der Stelle, wo sie den Tod fand?«
»So weit nach Süden bin ich nicht gesegelt. Und ich habe weder einen lebenden noch einen toten Menschen gesehen.«
»Ist es eine Gewohnheit von Ihnen, daß Sie allein segeln?« fragte Sergeant Oliphant.
»Ich mache mir nichts zur Gewohnheit, Sergeant. Früher bin ich mit einem Freund gesegelt. Jetzt segle ich eben allein.«
Rikkards erkundigte sich, ob er Blaneys Porträt von Miss Robarts kenne. Lessingham gab zu, daß er es schon mal gesehen habe. George Jago, der Wirt vom Local Hero in Lydsett, habe es – offenbar auf Blaneys Wunsch hin – eine Woche lang im Schankraum zur Schau gestellt. Aber er habe keine Ahnung, wo Blaney es aufbewahrte. Er habe es
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