Vorsatz und Begierde (German Edition)
Als er den Wagen sah, stieg Neil aus dem Caravan, ging hinüber und stellte sich neben Amy. Miss Robarts stieg aus ihrem Wagen, und beide standen da und starrten sie an, ohne ein Wort, sie standen nur nebeneinander und beobachteten sie. Bestimmt kein ausgesprochen freundlicher Empfang, aber was kann man anderes erwarten? Dann, als Miss Robarts nur noch ungefähr sechs Meter von ihnen entfernt war, lief Timmy auf sie zu und packte ihre Hosenbeine. Er ist ein lieber, kleiner Bursche und dachte sich nichts dabei. Sie wissen ja, wie Kinder sind. Aber er hatte in dem Matsch unter dem Wasserhahn gespielt und schmierte ihr nun das Zeug an die Hose. Sie stieß ihn ziemlich hart von sich. Der Kleine fiel aufs Hinterteil und fing an zu brüllen, und dann brach plötzlich die Hölle los.«
»Was wurde gesagt?« wollte Oliphant wissen.
»Genau kann ich mich nicht erinnern. Es gab ’ne Menge Worte, die man an einem Sonntag nicht zu hören erwartet. Manche fingen mit F an, und manche mit Sch. Benutzen Sie Ihre Phantasie.«
»Wurden Drohungen ausgestoßen?« fragte Rikkards.
»Kommt drauf an, was Sie darunter verstehen. Es gab ’ne Menge Geschrei und Gebrüll. Allerdings nicht von Neil. Der stand einfach da und war so schneeweiß, daß ich dachte, er würde gleich in Ohnmacht fallen. Es war Amy, die den größten Krach machte. Man hätte meinen können, Miss Robarts wär mit dem Messer auf das Kind losgegangen. Ich kann mich wirklich nicht mehr an alles erinnern. Fragen Sie Neil Pascoe. Miss Robarts schien gar nicht zu merken, daß ich da war. Fragen Sie Amy und Neil. Die werden es Ihnen sagen können.«
»Ich möchte es aber auch von Ihnen hören«, entgegnete Rikkards. »Es hilft, wenn verschiedene Personen ihren Eindruck von einem Zwischenfall schildern. So bekommt man ein präziseres Bild.«
»Präziser?« fiel ihm Jago ins Wort. »Anders vielleicht. Präziser wäre es wohl nur, wenn sie alle die Wahrheit sagten.«
Sekundenlang befürchtete Rikkards, Mrs. Jago werde diese Behauptung mit einer weiteren Demonstration ihrer Semantik zu widerlegen suchen. »Nun, Mrs. Jago«, sagte er, »ich bin überzeugt, daß Sie jedenfalls die Wahrheit sagen. Deswegen fangen wir ja bei Ihnen an. Können Sie sich erinnern, was gesagt wurde?«
»Ich glaube, Miss Robarts sagte, sie sei eigentlich gekommen, um ihnen mitzuteilen, daß sie erwäge, keine Klage gegen sie einzureichen, daß sie’s aber nun verdammt noch mal doch tun werde und nur hoffe, sie beide damit zu ruinieren. ›Sie und Ihr Flittchen.‹ Reizend, nicht wahr?«
»Hat sie genau diese Ausdrücke benutzt?«
»Und noch einige mehr, an die ich mich nicht mehr erinnern kann.«
»Ich meine, Mrs. Jago, war es Miss Robarts, die die Drohungen ausstieß?«
Zum erstenmal wirkte Mrs. Jago unsicher; dann antwortete sie: »Tja also, sie war es doch immer, die Drohungen ausstieß, nicht wahr? Schließlich hat Neil Pascoe nicht sie verklagt, sondern umgekehrt.«
»Und was geschah dann?«
»Gar nichts. Miss Robarts stieg in ihren Wagen und fuhr weg. Amy schleppte das Kind in den Caravan und schlug die Tür zu. Neil machte ein so verzweifeltes Gesicht, daß ich dachte, er werde gleich anfangen zu heulen, deswegen wollte ich ihm was Nettes sagen.«
»Und was war das, Mrs. Jago?«
»Ich sagte, sie sei eine gemeine, böse Zicke, und eines Tages werde noch jemand sie umbringen.«
»Das war aber nicht sehr nett, Doris«, mischte sich Jago ein.
»Nicht an einem Sonntag.«
Doris Jago entgegnete gelassen: »Eigentlich an keinem Tag der Woche, aber sehr weit danebengelegen habe ich nicht – oder?«
»Was geschah dann, Mrs. Jago?« fragte Rikkards.
»Ich hab weiter das Blatt ausgefahren. Erst in den Alten Pfarrhof. Das tu ich normalerweise nicht, weil die Copleys und Mrs. Dennison normalerweise am Vormittagsgottesdienst teilnehmen und sich ihr Blättchen selber holen, aber gestern waren sie nicht da, und ich machte mir ein bißchen Sorgen, weil ich dachte, da stimmt was nicht. Aber sie waren nur zu sehr mit Packen beschäftigt, um in die Kirche zu kommen. Die Copleys wollten zu ihrer Tochter nach Wiltshire fahren. Wie schön für sie, dachte ich mir, und Mrs. Dennison kriegt auch ein bißchen Ruhe. Sie bot mir eine Tasse Tee an, aber ich sagte, ich wolle nicht warten, denn ich sah, daß sie mit den Vorbereitungen zum High Tea beschäftigt war. Aber ich blieb fünf Minuten bei ihr in der Küche sitzen, um mit ihr zu plaudern. Sie sagte, einige Angestellte von Larksoken hätten
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