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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Ihnen es mal gesehen? Hat er vielleicht davon gesprochen?«
    »Selbstverständlich haben wir’s gesehen«, antwortete Mrs. Jago. »Hat schließlich bei uns in der Bar gehangen. Und ich wußte sofort, daß es Unglück bringt. Das böseste Bild, das ich jemals gesehen habe.«
    Jago wandte sich an seine Frau, um ihr betont geduldig zu erklären: »Ich begreife nicht, wie du behaupten kannst, ein Bild wäre böse, Doris. Doch kein Bild! Dinge können nicht böse sein. Ein lebloses Objekt kann weder gut noch böse sein. Böse ist das, was Menschen tun.«
    »Und was Menschen denken, George. Und dieses Bild ist aus bösen Gedanken entstanden, und deshalb kann ich durchaus behaupten, daß das Bild böse ist.«
    Sie sprach energisch, doch ohne jede Spur von Rechthaberei oder Groll. Offensichtlich war dies eine Art ehelicher Auseinandersetzung – ohne jede Schärfe und mit betonter Fairneß –, die sie beide aufrichtig genossen. Ein paar Minuten lang waren sie ganz aufeinander konzentriert.
    »Zugegeben, es war bestimmt kein Bild, das man sich ins Wohnzimmer hängen würde«, lenkte Jago ein.
    »Und in die Bar auch nicht. Schade, daß du’s trotzdem getan hast, George.«
    »Genau. Aber ich denke, daß es keinem Ideen in den Kopf gesetzt hat, die nicht schon vorher da waren. Und daß es böse war, kann man nicht sagen, Doris. Nicht von einem Bild.«
    »Also gut. Angenommen, du hast ein Folterinstrument, irgend etwas, das die Gestapo benutzt hat.« Mrs. Jago ließ den Blick in der Bar umherwandern, als glaube sie dort etwas Derartiges zu entdecken. »So was wäre wirklich böse, würde ich sagen. Das würde ich nicht behalten wollen.«
    »Du kannst sagen, daß es für einen bösen Zweck benutzt wurde, Doris. Das ist was anderes.«
    »Warum haben Sie das Porträt eigentlich in der Bar aufgehängt?« fragte Rikkards.
    »Weil er mich darum gebeten hat, darum. Ich hab immer wieder mal Platz für ein oder zwei von seinen Aquarellen, und manchmal verkauft er die, manchmal nicht. Ich sage ihm jedesmal, er soll mir Bilder vom Meer bringen. Ich meine, hier dreht sich doch alles um den Admiral, nicht wahr, alles um Seefahrt. Aber er wollte unbedingt dieses Porträt ausstellen, und da hab ich ihm versprochen, es eine Woche lang aufzuhängen. Am Montag, dem zwölften, hat er’s mir mit dem Fahrrad gebracht.«
    »Weil er hoffte, es verkaufen zu können?«
    »O nein, es war nicht zu verkaufen, dieses Bild nicht. Das hat er mehr als deutlich erklärt.«
    »Wozu es dann aufhängen?« fragte Oliphant.
    »Genau das habe ich auch gesagt.« Jago sah den Sergeant so triumphierend an, als habe er in ihm einen ebenbürtigen Experten für Logik entdeckt. »›Wozu es aufhängen, wenn du’s ja doch nicht verkaufen willst?‹ habe ich ihn gefragt. ›Sie sollen es sehen‹, hat er gesagt. ›Ich will, daß sie’s sehen. Ich will, daß die ganze Welt es sieht.‹ Ein bißchen sehr optimistisch, fand ich. Schließlich sind wir nicht die National Gallery.«
    »Schon eher das National Maritime Museum«, warf Doris überraschend ein und strahlte sie alle glücklich an.
    »Wo haben Sie’s aufgehängt?«
    »An der Wand gegenüber der Tür. Zwei Bilder von der Schlacht bei Abukir hab ich dafür abnehmen müssen.«
    »Und wie viele Personen haben es in diesen sieben Tagen gesehen?«
    »Sie wollen wissen, wie viele Gäste ich hatte. Ich meine, jeder, der reinkam, mußte es sofort sehen. Doris wollte es abnehmen, aber ich hatte versprochen, es bis Montag hängen zu lassen, und das habe ich auch getan. War aber froh, als er’s wieder abholte. Wie gesagt, das alles hier sind Gedenkstücke. Alles hat mit dem Admiral zu tun. Es paßte einfach nicht ins Dekor. Aber es war ja nicht sehr lange hier. Er sagte, er würde es am neunzehnten morgens abholen, und das hat er auch getan.«
    »Hat irgend jemand von der Landzunge oder dem Kraftwerk es gesehen?«
    »Alle, die reinkamen. Der Local Hero gehört nicht zu ihren Stammkneipen. Die meisten von ihnen wollen nach Feierabend weg von hier, und das kann man ihnen kaum übelnehmen. Ich meine, über dem Laden wohnen ist okay, aber doch nicht über dem Laden!«
    »Wurde viel darüber geredet? Hat zum Beispiel irgend jemand gefragt, wo er es aufbewahrt?«
    »Mich nicht. Die meisten von ihnen wußten vermutlich, wo er es aufbewahrt. Ich meine, er redete jede Menge von seinem Atelier. Aber ich kann Ihnen jemanden nennen, der es gesehen hat. Hilary Robarts.«
    »Wann?«
    »Am Abend, nachdem er’s hergebracht hat, so

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