Vorsatz und Begierde (German Edition)
Mülltonnen neben dem Wohnwagen, zwei Plastiktüten mit leeren Suppen- und Babykostdosen, verschmutzten Windeln, Gemüseresten und zusammengefalteten Kartons. Die Tüten stanken schon, obwohl er sie sorgsam verschnürt hatte. Daß eine junge Frau und ein achtzehn Monate altes Kind den Haushaltsmüll so vermehren können, wunderte er sich, als er den Deckel zuklappte. »Ein Jaguar ist eben vorbeigefahren«, sagte er, als er den Wohnwagen betrat. »Miss Dalglieshs Neffe scheint wieder im Lande zu sein.«
Amy, die sich eben mühte, ein neues Farbband in die alte Schreibmaschine einzulegen, schaute nicht hoch.
»Der Typ von der Kripo? Vielleicht ist er gekommen, um den Whistler aufzuspüren.«
»Das wohl kaum. Die Londoner Kripo hat mit dem Whistler nichts zu schaffen. Er wird wohl Urlaub machen. Oder er will in aller Ruhe überlegen, was er mit der Mühle anfangen soll. Er kann ja nicht gut hier wohnen und in London arbeiten.«
»Frag ihn doch, ob wir sie haben können. Mietfrei selbstverständlich. Wir kümmern uns um sie und lassen auch keine Fremden aufs Grundstück. Du schimpfst ja sowieso immer, daß es nicht sozial ist, wenn Leute eine Zweitwohnung haben oder ein Haus leer stehen lassen. Red mit ihm! Oder hast du Schiß? Wenn du dich nicht traust, mach ich es.«
Er wußte, daß das kein Vorschlag, sondern eine durchaus ernst gemeinte Drohung war. Einen Augenblick lang war er froh darüber, daß sie damit andeutete, sie seien ein Paar und sie denke nicht daran, ihn zu verlassen. Vielleicht war das ja tatsächlich die Lösung all ihrer Probleme. Fast aller. Aber wenn er sich so im Wohnwagen umsah, bezweifelte er es doch. Er wußte kaum noch, wie es hier vor fünfzehn Monaten, bevor Amy und Timmy sein Leben veränderten, ausgesehen hatte; da an der Wand die selbstgebastelten Regale aus Obstkisten mit seinen Büchern; da drüben das Geschirrschränkchen mit zwei Keramiktassen, zwei Tellern und einer Suppenterrine, was für seine Bedürfnisse völlig ausreichte. Die Miniküche und die Toilette hatten vor Sauberkeit geblitzt. Auf dem Bett war glattgestrichen die karierte Wolldecke gelegen. Dann noch der Hängeschrank, der für seine wenigen Kleidungsstücke vollauf ausgereicht hatte. Seine sonstigen Besitztümer hatte er, in Schachteln verstaut, in der Sitztruhe aufbewahrt. Man konnte nicht behaupten, daß Amy zur Schmuddeligkeit neigte. Unentwegt wusch sie sich, ihr Haar, ihre paar Kleidungsstücke. Dafür schleppte er – vom Zapfhahn am Cliff Cottage, den sie benutzen durften – stundenlang Wasser herbei. Immer wieder mußte er volle Gasflaschen vom Gemischtwarenladen in Lydsett holen, und der von dem fast ständig kochenden Wasserkessel aufsteigende Dampf hing in Schwaden im Wohnwagen und schlug sich als Feuchtigkeit nieder. Aber Amy war einfach unverbesserlich schlampig. Ihre Kleidungsstücke blieben da liegen, wo sie sie fallen gelassen hatte. Die Schuhe schubste sie unter den Tisch. Slip und Büstenhalter stopfte sie unter die Kissen. Timmys Spielsachen lagen verstreut auf dem Boden oder dem Tisch. Ihre Schminkutensilien, offenbar ihr einziger Luxus, füllten das einzige Bord in der kleinen Duschzelle. In dem Fach, wo die Lebensmittel aufbewahrt wurden, stieß er auf halbleere, unverschlossene Cremedosen und irgendwelche Flakons. Er mußte lächeln, als er sich vorstellte, wie Commander Adam Dalgliesh sich in dem Wirrwarr einen Sitzplatz suchte, um mit ihnen zu besprechen, ob sie sich als Hüter der Mühle von Larksoken eigneten.
Und dann noch all die Tiere. Amy war geradezu rührselig in ihrer Tierliebe. Nur selten waren sie ohne ein verletztes, ausgesetztes oder halb verhungertes Lebewesen. Möwen, deren Schwingen mit Öl verklebt waren, wurden gereinigt, in einem Käfig aufgepäppelt und hernach freigelassen. Dann gab es da zum Beispiel einen zugelaufenen Köter, den sie Herbert tauften; der große, schlaksige, kummervoll dreinblickende Herbert hatte sich bei ihnen ein paar Wochen einquartiert, und seine Gefräßigkeit, was Dosenfutter und Hundekekse anbelangte, hatte die Haushaltskasse über Gebühr beansprucht. Glücklicherweise hatte er sich eines Tages davongemacht und wurde, zu Amys großem Kummer, nirgendwo mehr gesichtet. Nur seine Leine baumelte noch neben der Wohnwagentür und erinnerte sie an den erlittenen Verlust. Zur Zeit hatten sie zwei schwarzweiße Kätzchen, die sie – ausgesetzt – auf dem Grasstreifen neben der Küstenstraße gefunden hatten, als sie mit dem Lieferwagen von
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