Vorsatz und Begierde (German Edition)
seines sehr weißen, sommersprossigen Gesichts und des brandroten Haarschopfes offenbar erkannt, daß jeder Versuch zur An onymität zum Scheitern verurteilt war, sich deshalb fürs Spektakuläre entschieden und trug zum karierten Anzug aus schwerem Tweed eine getupfte Krawatte. Ein wenig mühsam stemmte er sich aus dem tiefen Sessel hoch, schlenderte zu den Drinks hinüber und stand, als Dalgliesh erklärte, er wolle auf den Kaffee warten, mit der Whiskyflasche in der Hand da, als wisse er nicht recht, was er damit anfangen solle. Seit dem Vormittag war jedoch noch jemand hinzugekommen: Vor den Bücherregalen stand Alex Mair, das Whiskyglas in der Hand; er sah aus, als interessiere er sich für die ledergebundenen Folianten und die Zeitschriftenstapel. Als Dalgliesh eintrat, wandte er sich um, warf ihm einen langen, forschenden Blick zu und nickte kurz. Er war bei weitem der ansehnlichste und intelligenteste der drei wartenden Herren, schien aber irgend etwas, Selbstvertrauen oder Energie, unwiederbringlich verloren zu haben, und so bot er den in sich zusammengesunkenen und dennoch beherrschten Anblick eines Mannes, der unter körperlichen Schmerzen leidet.
Sowerby, dessen Augen unter den schweren Lidern hervor belustigt dreinblickten, stellte fest: »Sie haben sich die Haare versengt, Adam. Sie riechen, als hätten Sie irgendwo Feuer gemacht.«
»Habe ich auch.«
Mair blieb stehen, aber Sowerby und Harding nahmen rechts und links vom Kamin Platz. Dalgliesh wählte einen Sessel zwischen ihnen. Sie warteten, bis der Kaffee gekommen war und er eine Tasse in der Hand hielt. Dann lehnte sich Sowerby im Sessel zurück, richtete den Blick zur Decke und schien sich darauf gefaßt zu machen, die ganze Nacht hindurch zu warten.
Bill Harding fragte: »Nun, Adam?«
Dalgliesh setzte den Becher ab und schilderte ausführlich, was seit seiner Ankunft beim Caravan geschehen war. Da er ein absolutes verbales Gedächtnis besaß, hatte er sich keine Notizen gemacht. Nach Beendigung seines Berichts sagte er: »Sie können also beruhigt sein. Pascoe glaubt an das, was vermutlich zur offiziellen Version werden wird: daß die beiden jungen Frauen ein Liebespaar waren, gemeinsam eine leichtsinnige Bootsfahrt unternahmen und im Nebel zufällig überfahren wurden. Ich glaube kaum, daß er Ihnen oder sonst jemandem Scherereien machen wird. All seine Energien scheinen aufgebraucht zu sein.«
»Und die Camm hat nichts Inkriminierendes im Caravan hinterlassen?« erkundigte sich Sowerby.
»Ich bezweifle sogar, daß es etwas zu hinterlassen gab. Wie Pascoe sagte, hat er ein oder zwei der Postkarten gelesen, als sie eintrafen, aber sie hätten nur die üblichen Phrasen enthalten, Touristen-Blabla eben. Die Camm hat sie offenbar vernichtet. Und er hat – mit meiner Hilfe – die Überreste ihres Lebens auf der Landzunge beseitigt. Ich habe ihm geholfen, die letzten ihrer Kleidungsstücke und ihres Make-ups zum Feuer hinunterzutragen. Während er damit beschäftigt war, das Zeug zu verbrennen, hatte ich Gelegenheit, zum Caravan zurückzukehren und ihn relativ gründlich zu durchsuchen. Es war nichts da.«
Sowerby erklärte formell: »Es war sehr freundlich von Ihnen, uns diesen Gefallen zu erweisen, Adam. Da Rikkards über unsere Interessen nicht unterrichtet ist, konnten wir uns kaum auf ihn verlassen. Und Sie hatten natürlich einen Vorteil, den er nicht hatte, denn in Ihnen würde Pascoe eher einen Freund als einen Polizisten sehen. Das läßt sich leicht aus seinem Besuch in der Larksoken-Mühle schließen. Aus irgendeinem Grund vertraut er Ihnen.«
»Das alles haben Sie mir bereits heute morgen erklärt«, gab Dalgliesh zurück. »Unter den gegebenen Umständen erschien mir die Bitte, die Sie an mich richteten, durchaus vernünftig. Ich bin weder naiv, noch hege ich, was den Terrorismus betrifft, ambivalente Gefühle. Sie haben mich gebeten, etwas zu tun, und ich habe es getan. Dennoch finde ich, Sie sollten Rikkards von den Vorgängen in Kenntnis setzen, aber das ist Ihre Sache. Und Sie haben Ihre Antwort bekommen. Falls die Camm sich mit der Amphlett eingelassen hat, dann hat sie sich Pascoe nicht anvertraut, und er ist keiner der beiden Frauen gegenüber mißtrauisch. Er glaubt, daß die Camm nur bei ihm geblieben ist, um in der Nähe ihrer Geliebten zu sein. Dieser Pascoe ist, trotz all seiner liberalen Ideen, ebenso fest wie jeder andere Mann davon überzeugt, daß eine Frau, die nicht unbedingt mit ihm ins Bett gehen will,
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