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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Tischplatte, auf die sie den Kopf legte, war ebenfalls kalt. Niemand kam zu ihr. Sie hörte, wie jemand in der Diele telephonierte, vernahm Stimmen, Schritte. Jemand schluchzte. Sie hörte abermals polternde Schritte, dann das Knirschen von Autoreifen auf dem Kies draußen.
    Alex behielt recht. Es war wirklich so einfach. Niemand zweifelte an ihren Worten; niemand schöpfte Verdacht. Man nahm ihre Erklärung hin. An der amtsärztlichen Untersuchung nahm sie nicht teil, wohl aber Alex, der ihr jedoch nichts darüber erzählte. Danach kamen der Hausarzt, ein Anwalt und Freundinnen ihrer Mutter ins Haus, und es fand eine merkwürdige Teegesellschaft – mit Sandwiches und selbstgebackenem Obstkuchen – statt. Alle waren sehr freundlich zu ihr und Alex. Jemand strich ihr über den Kopf. Eine Stimme sagte: »Es war tragisch, daß niemand da war. Mit gesundem Menschenverstand und etwas Ahnung von Erster Hilfe hätte man ihm das Leben retten können.«
    Inzwischen hatten die Erinnerungen, die sie bewußt geweckt hatte, ihre quälende Macht eingebüßt. Der Alptraum schreckte sie nicht mehr. Wenn sie Glück hatte, würde er für eine Weile nicht wiederkehren. Sie hob schwungvoll die Beine über die Bettkante und griff nach ihrem Morgenmantel. Sie hatte eben den Tee aufgebrüht, als sie Alex’ Schritte auf der Treppe hörte. Gleich darauf sah sie seine hochgewachsene Gestalt im Türrahmen. Er wirkte jungenhaft, irgendwie verletzlich in dem ihr so vertrauten Morgenmantel aus Kordsamt. Er fuhr sich mit beiden Händen durch das zerzauste Haar.
    »Habe ich dich etwa geweckt?« fragte sie, erstaunt, weil ihn sonst nichts um seinen Schlaf bringen konnte. »Tut mir leid.«
    »Aber nein. Ich bin früher als sonst aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. Es ist der Verdauung nicht gerade zuträglich, wenn man so spät zu Abend ißt wie wir gestern wegen diesem Lessingham. Ist der Tee frisch aufgebrüht?«
    »Bedien dich!«
    Er holte eine Tasse aus dem Geschirrschrank und goß sich und ihr Tee ein. Sie nahm ihre Tasse und setzte sich in den Korbsessel.
    »Der Wind bläst immer stärker«, sagte er.
    »Ja, schon seit einer Stunde.«
    Er ging zur Tür, schob den Riegel zurück und öffnete die obere Hälfte. Ein weißes, kaltes Brausen wehte herein und überdeckte den schwachen Duft des Tees. Sie hörte das dumpfe Rauschen des Meeres. Es schien sogar noch lauter zu werden. Ein wohliger Schauer überlief sie, als sie sich plötzlich vorstellte, daß die niedrigen, brüchigen Klippen nachgegeben hätten, daß gleich weißgischtige Wogen die Landzunge überschwemmen, zur Tür eindringen und Alex’ Gesicht mit ihrem Schaum bespritzen würden. Als sie Alex musterte, der in die Dunkelheit hinausblickte, empfand sie eine tiefe Zuneigung zu ihm. Die Intensität dieses Gefühls verdutzte sie. Er war mittlerweile mit ihrem Leben so sehr verwoben, daß sie sich über ihre Gefühle für ihn keine Gedanken machte, es auch nicht wollte. Sie wußte nur, daß sie völlig zufrieden war, wenn er im Hause weilte, wenn sie über sich seine Schritte hörte, wenn sie mit ihm das Essen teilen konnte, das sie für sich zubereitet hatte. Dabei gängelten sie einander nicht. Selbst seine Heirat hatte nichts daran geändert. Alice hatte seine Heirat gleichmütig hingenommen, da sie Elizabeth mochte, und mit der gleichen Gelassenheit hatte sie ihr Ende registriert. Sie glaubte nicht, daß er noch einmal heiraten würde. Nichts konnte ihre Beziehung ändern, mochten noch so viele Frauen in seinem Leben eine Rolle spielen oder es zumindest anstreben. Manchmal mußte sie schelmisch lächeln wie jetzt, wenn sie daran dachte, wie Außenstehende wohl ihre Beziehung sehen mochten. Diejenigen, die annahmen, das Cottage gehöre ihm, sahen in ihr die unverheiratete Schwester, der er Logis, Gesellschaft, eine sinnvolle Tätigkeit bot. Andere, die tiefer blickten, der Wahrheit dennoch auch nicht nahe kamen, waren fasziniert von ihrer scheinbaren Unabhängigkeit, davon, daß jeder seinen eigenen Weg ging, daß sie einander nichts vorschrieben. Ihr fiel ein, daß Elizabeth – damals hatte sie sich gerade mit Alex verlobt – ihr einmal gesagt hatte: »Weißt du, ihr seid ein Paar, das einen einschüchtern kann.«
    »Das stimmt, meine Liebe, das stimmt«, hätte sie da am liebsten erwidert.
    Sie hatte Martyr’s Cottage vor seiner Ernennung zum Direktor des AKWs gekauft. Er war dann unter der unausgesprochenen Voraussetzung bei ihr eingezogen, daß das nur ein

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