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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Frau reizvoll fände. Eine persönliche Assistentin sollte zuallererst umgänglich und tüchtig sein, nicht aber verführerisch.«
    »Ich kann mir schon denken«, erwiderte Alice gleichmütig, »daß ein Mann eine Sekretärin dann als ideal empfindet, wenn sie den Eindruck erweckt, sie würde zwar mit ihm ins Bett gehen, widerstünde dem aber tapfer, der Arbeitsatmosphäre zuliebe. Was wird nun aus ihr?«
    »Der Job ist ihr sicher. Wenn sie in Larksoken bleibt, wird man sich um sie reißen. Sie ist intelligent, taktvoll und tüchtig.«
    »Aber wohl kaum ehrgeizig, sonst würde sie sich nicht mit Larksoken bescheiden. Vielleicht hat Caroline noch einen anderen Grund, warum sie nicht fortziehen möchte. Ich habe sie vor drei Wochen in der Kathedrale von Norwich gesehen. Sie traf sich dort mit einem Mann in der Kapelle Zu Unserer Lieben Frau. Sie verhielten sich betont unauffällig, aber auf mich wirkten die beiden wie Verschwörer.«
    »Wie sah der Mann aus?« fragte er gleichgültig.
    »Ein Mann mittleren Alters. Unscheinbar. Deswegen schwer zu beschreiben. Aber er war zu alt, als daß es Jonathan Reeves gewesen sein könnte.«
    Sie sprach nicht weiter, weil sie sah, daß es ihn nicht interessierte. Seine Gedanken waren woanders. Wenn sie hingegen so darüber nachdachte, war es eine höchst merkwürdige Begegnung gewesen. Caroline hatte ihr blondes Haar unter einem großen Barett verborgen, zudem hatte sie noch eine Brille getragen. Trotzdem hatte die Verkleidung, sofern es überhaupt eine gewesen war, Alice nicht täuschen können. Sie selbst war schnell weitergegangen, damit man sie nicht bemerkte oder annahm, sie würde ihr nachspionieren. Etwa eine Minute darauf hatte sie beobachtet, wie Caroline, einen Kunstführer in der Hand, den Mittelgang entlangschritt, während der Mann ihr in einigem Abstand folgte. Sie näherten sich einer Statue, vor der sie stehenblieben, um sie eingehend zu betrachten. Als sie eine Viertelstunde später die Kathedrale verließ, sah sie ihn noch einmal. Nun hielt er den Kunstführer in der Hand.
    »Die Dinnerparty gestern war kein großer Erfolg«, sagte Alex nach einer Weile.
    »Das ist noch untertrieben. Ein glatter Reinfall, sieht man von dem Essen ab. Was ist denn mit Hilary los? Will sie die Leute absichtlich kränken, oder ist sie nur unglücklich?«
    »Die Menschen reagieren nun mal so, wenn sie nicht das bekommen, was sie sich einbilden.«
    »In ihrem Fall dich?«
    Er schaute lächelnd zum erloschenen Kaminfeuer hinüber, erwiderte aber nichts darauf.
    »Kann sie dir Schwierigkeiten machen?« fragte sie.
    »Mehr als das. Sie kann mir gefährlich werden.«
    »Gefährlich? Wie gefährlich? Meinst du, sie kann dich irgendwie in Gefahr bringen?«
    »Nicht nur mich.«
    »Aber doch nicht so, daß du die Situation nicht meistern kannst?«
    »Ich werde damit schon fertig. Aber nicht dadurch, daß ich ihr die Verwaltung übertrage. Sie wäre eine Katastrophe. Ich hätte ihr nie eine leitende Position anvertrauen dürfen.«
    »Bis wann mußt du die Entscheidung treffen?«
    »Ich habe noch zehn Tage Zeit und genügend Anwärter.«
    »Du mußt also in zehn Tagen entscheiden, was aus ihr wird?«
    »Nein, eher. Sie möchte eine Entscheidung bis Sonntag.«
    Eine Entscheidung worüber, überlegte sie. Über ihren Job, über ihre angestrebte Beförderung, ihr künftiges Leben mit Alex? Die Frau mußte doch einsehen, daß es für sie keine Zukunft zusammen mit Alex gab.
    »Wird es dich sehr enttäuschen«, erkundigte sie sich, weil nur sie es wagen durfte, diese Frage zu stellen, »wenn du den Job nicht bekommst?«
    »Es würde mich kränken, was ja dem Gemüt viel nachhaltigeren Schaden zufügen kann. Ich möchte ihn, brauche ihn, bin auch der richtige Mann dafür. Das denkt wohl jeder Kandidat, aber in meinem Fall entspricht es den Tatsachen. Es ist ein wichtiger Job, Alice. Einer der wichtigsten, die es hierzulande gibt. Unsere Zukunft hängt von der Atomkraft ab, wenn wir unseren Planeten noch retten wollen. Aber wir müssen mit ihr – national und international – besser umgehen.«
    »Ich halte dich für den einzigen ernstzunehmenden Kandidaten. Aber es geht um eine Position, die man nur vergibt, wenn der geeignete Mann vorhanden ist. Es ist ein völlig neuer Job. Bisher sind wir bei der Atomkraft ohne Sonderbeauftragten ausgekommen. Ich kann mir vorstellen, daß der Job, sofern ihn der richtige Mann ausübt, immense Möglichkeiten bietet. Aber bei einer Fehlbesetzung ist es nur ein

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