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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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an dem Abend nicht da. Du hattest gelogen, und ich begriff nicht, warum. Ich begreife es immer noch nicht. Ich frage mich, wen du decken willst. Und manchmal – verzeih mir, Alice –, manchmal frage ich mich, ob du nicht dabei warst, als er sie umbrachte, ob du nicht Wache gehalten, zugesehen, ihm vielleicht sogar geholfen hast, ihr die Haare abzuschneiden.«
    Alice saß so still, daß die Hände mit den langen, schmalen Fingern, die auf ihrem Schoß, in den Falten ihres Überwurfs ruhten, wie aus Marmor gemeißelt wirkten. »Ich habe niemandem geholfen«, sagte sie dann. »Und niemand hat mir geholfen. Es waren nur zwei Menschen am Strand, Hilary Robarts und ich. Ich habe es allein geplant, und ich habe es allein ausgeführt.«
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Meg spürte Eiseskälte in sich aufsteigen. Sie hörte die Worte und wußte, sie waren die Wahrheit. Hatte sie das vielleicht schon immer gewußt? Sie dachte: Ich werde nie wieder mit ihr in dieser Küche sitzen, nie wieder den Frieden und die Geborgenheit finden, die ich sonst immer in diesem Raum gefunden habe. Und dann kam ihr eine völlig ungereimte Erinnerung in den Sinn: wie sie still in diesem selben Sessel saß und Alice zusah, die Mürbegebäck vorbereitete; wie sie das Mehl auf eine Marmorplatte siebte, weiche Butterstückchen hinzufügte, das Ei aufschlug, die langen Finger vorsichtig in das Gemisch tauchte, das Mehl einknetete und das Ganze zu einer glänzenden Teigkugel formte. »Es waren deine Hände«, sagte sie tonlos. »Deine Hände, die den Gürtel um ihren Hals zuzogen, deine Hände, die ihr die Haare abschnitten, deine Hände, die ihr das L in die Stirn ritzten. Du hast es allein geplant, und du hast es allein ausgeführt.«
    »Es hat Mut dazugehört«, gestand Alice, »aber vielleicht weniger, als du dir vorstellen kannst. Und sie ist sehr schnell gestorben, sehr leicht. Wir könnten froh sein, ebenso schmerzlos zu sterben. Sie hatte nicht einmal Zeit, Angst zu empfinden. Sie hatte einen leichteren Tod, als er den meisten von uns bevorsteht. Und was dann kam, spielte keine Rolle mehr. Nicht für sie. Nicht einmal für mich. Sie war tot. Es ist das, was wir den Lebenden antun, das starke Emotionen erfordert – Mut, Haß und Liebe.«
    Alice schwieg einen Moment; dann sagte sie: »Verwechsle in deinem Eifer, mich als Mörderin zu überführen, bitte nicht Verdacht mit Beweisen. Von alldem kannst du nichts beweisen. Nun gut, du behauptest, das Messer habe gefehlt, aber da steht dein Wort gegen meins. Und wenn es gefehlt hat, könnte ich sagen, daß ich einen kurzen Spaziergang auf der Landzunge gemacht hätte und der Mörder die Gelegenheit nutzte.«
    »Und es anschließend wieder zurücksteckte? Er hätte ja nicht mal wissen können, daß es dort war.«
    »Selbstverständlich konnte er das. Jeder weiß, daß ich eine gute Köchin bin, und wer kocht, besitzt scharfe Messer. Und warum sollte er es nicht zurückbringen?«
    »Aber wie hätte er reinkommen sollen? Die Tür war verschlossen.«
    »Dafür gibt es nur dein Wort. Ich werde sagen, ich hätte sie offengelassen. Das tun die Leute auf der Landzunge fast immer.«
    Meg hätte am liebsten aufgeschrien: »Nicht, Alice! Denk dir nicht noch mehr Lügen aus! Laß wenigstens zwischen uns Vertrauen herrschen!« Laut sagte sie: »Und das Porträt, das eingeschlagene Fenster – warst du das auch?«
    »Natürlich.«
    »Aber warum? Warum all diese Komplikationen?«
    »Weil sie notwendig waren. Während ich darauf wartete, daß Hilary aus dem Wasser kam, entdeckte ich Theresa Blaney. Sie tauchte plötzlich am Klippenrand bei den Abteiruinen auf. Stand nur sekundenlang da und verschwand dann wieder, aber ich habe sie gesehen. Im Mondschein war sie nicht zu verwechseln.«
    »Aber wenn sie dich nicht gesehen hat, wenn sie nicht da war, als du … als Hilary starb …«
    »Verstehst du nicht? Es hätte bedeutet, daß ihr Vater kein Alibi haben würde. Ich habe sie immer als ein sehr wahrheitsliebendes Kind eingeschätzt, und sie ist streng religiös erzogen worden. Wenn sie der Polizei gesagt hätte, daß sie an jenem Abend auf der Landzunge war, würde das große Gefahr für Ryan bedeuten. Und selbst wenn sie klug genug wäre zu lügen – wie lange würde sie ihre Lüge aufrechterhalten können? Die Polizei würde sie sehr behutsam vernehmen; Rikkards ist kein brutaler Mensch. Aber einem wahrheitsliebenden Kind würde es schwerfallen, überzeugend zu lügen. Als ich nach dem Mord

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