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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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ihm?«
    »Nein, nichts dergleichen. Außerdem geht dich das nichts an. Er meint, es wäre nicht richtig. Das heißt, er möchte es nicht. Wenn’s nämlich die Männer wollen, tun sie’s auch.«
    »Das ist auch meine Erfahrung«, bestätigte er.
    Sie lagen reglos nebeneinander und schauten zum Himmel empor. Sie wollte offenbar nicht weiterreden. Immerhin hatte er endlich die Frage gestellt und auch eine Antwort erhalten. Irgendwie beschämt und auch irritiert stellte er fest, daß sich in ihm erstmals der Stachel der Eifersucht regte. Aber noch beschämender war, daß er sich geniert hatte, dieser Regung auf den Grund zu gehen. Zudem hatte er noch weitere Fragen, die er aber nicht zu stellen wagte; Fragen wie: »Was bedeute ich dir?«, »Wie wichtig ist dir das alles?«, »Was erhoffst du dir von mir?« und – die drängendste Frage, auf die er jedoch nie eine Antwort bekommen würde – »Liebst du mich?«. Bei seiner Frau hatte er genau gewußt, was er zu erwarten hatte. Wohl kaum eine Ehe hatte mit einer gründlicheren Auslotung dessen, was jeder vom anderen erwartete, begonnen. Ihre weder schriftlich noch mündlich niedergelegte, einander nur halb eingestandene voreheliche Abmachung hatte nicht in irgendeiner Form fixiert werden müssen. Er sollte den Lebensunterhalt verdienen, und sie würde, wann immer sie wollte, ihrem Beruf nachgehen; ihrem Job als Innenarchitektin hatte sie allerdings nie viel abgewinnen können. Zum Ausgleich für seine Mühen würde sie den Haushalt mit Umsicht und angemessener Sparsamkeit führen; alle zwei Jahre durfte jeder mindestens einmal allein Urlaub machen; sie wollten höchstens zwei Kinder haben, und den Zeitpunkt würde sie bestimmen; keiner würde den anderen in der Öffentlichkeit bloßstellen. Das Spektrum des ehelichen Wohlverhaltens reichte vom Unterlassen jeglicher Kränkungen bei Dinnerparties bis hin zur Vermeidung allzu dreister Untreue. Alles klappte ausgezeichnet. Sie mochten einander. Nur gelegentlich kam es zu Zwistigkeiten. Deswegen hatte es ihn, vor allem seinen Stolz, zutiefst getroffen, als sie ihn verließ. Glücklicherweise war das Mißlingen ihrer Ehe dadurch gemildert worden, daß alle Welt wußte, wie vermögend ihr Liebhaber war. Alex begriff, daß in einer materialistisch ausgerichteten Gesellschaft das Überlaufen einer Ehefrau zu einem Millionär kaum als Versagen bewertet wurde. In den Augen seiner Freunde hätte er sich allzu habsüchtig verhalten, wenn er sie nicht großmütig freigegeben hätte. Liz aber – um ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen – hatte sich in Gregory verliebt und wäre ihm nach Kalifornien gefolgt, ob er nun vermögend war oder nicht.
    Alex sah noch ihr völlig verwandeltes, lachendes Gesicht vor sich, hörte ihre beschwichtigende Stimme. »Diesmal ist es das Richtige, Darling«, hatte sie gesagt. »Ich habe nicht mehr damit gerechnet und kann’s jetzt noch kaum fassen. Nimm’s mir nicht übel. Dich trifft keine Schuld. Dagegen kann man einfach nicht an.«
    Das Richtige! Es gab also dieses mysteriöse Richtige, vor dem alles verblaßte – Verpflichtungen, Gewohnheiten, Verantwortlichkeiten, Pflichten. Er empfand so etwas wie Beklommenheit, wenn er daran dachte, hier in den Dünen, wo er entspannt daliegen und den Himmel durch das Gewirr des Strandhafers betrachten konnte. Er hatte es gewiß nicht gefunden, nicht bei dieser jungen Frau da, die halb so alt war wie er, die intelligent, aber ungebildet war, leichtlebig, belastet mit einem unehelichen Kind. Er machte sich nichts vor, was den Reiz, den sie auf ihn ausübte, anging. Bisher hatte er noch keine Affäre so berückend, so befreiend gefunden wie diese verstohlene Brunft auf dem harten Sandboden, unweit der tosenden Brandung.
    Manchmal stellte er sich vor, sie lebten zusammen in seiner neuen Londoner Wohnung. Diese Wohnung, die er noch gar nicht hatte, die ja nur eine vage Möglichkeit war, bekam dann genaue Dimensionen, eine bestimmte Lage, eine beängstigend eindringliche Realität. Er arrangierte seine Bilder an nicht vorhandenen Wänden, überlegte, wo er die Möbel, seine Stereoanlage plazieren könnte. Die Wohnung lag an der Themse. Es sah schon die großen Fenster mit der Aussicht auf den Fluß bis hin zur Tower Bridge, das breite Bett, Amys wohlgeformten Körper, auf den das Sonnenlicht, das durch die quergestellten Holzlamellen drang, helle Streifen warf. Doch dann zerfaserten solche verführerischen Bilder wieder zur öden Wirklichkeit. Da war ja

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