Vorsicht, heiß!
bebenden Fingern hatte sie sich angezogen und war aus dem Zimmer geschlichen. Und dann hatte sie sich in die Vorbereitungen für die heutige Eröffnungsfeier gestürzt. Doch natürlich konnte sie Paulo jetzt nicht mehr aus dem Weg gehen. Und ihr erstes Wiedersehen wäre sehr viel leichter, wenn sie gewusst hätte, ob die gemeinsame Nacht ein One-Night-Stand war – oder ob er das Ganze wiederholen wollte.
Die Unsicherheit, die in letzter Zeit ihr Leben bestimmte, gefiel Alyssa gar nicht. Normalerweise setzte sie sich ein Ziel und verfolgte dieses mit der Entschlossenheit eines Bullterriers. Was ihr oft gar nicht guttat, wie ihre Mutter immer wieder sagte. Wie aufs Stichwort hörte Alyssa in diesem Moment ihre Mutter ihren Namen rufen.
Cherise Hunt näherte sich – in einem Wildlederrock, der ihre üppige Figur betonte, einem Westernhemd mit Fransen, Stiefeln und ihrem schönsten Cowboyhut. Sie sah aus wie eine Rodeo Queen mittleren Alters. Alyssa war von ihrer Mutter in Sachen dramatische Auftritte einiges gewöhnt, doch dieses hier war die Krönung.
„Schickes Outfit“, stellte sie trocken fest.
„Ich bekenne mich eben zu meinen Wurzeln.“ Cherise Hunt strich sich durch das blondierte Haar.
Amüsiert zog Alyssa die Augenbrauen hoch. „Du hast doch noch nie auf einem Pferd gesessen!“
„Ach, solche Kleinigkeiten kümmern mich nicht.“ Ihre Mutter sah sich um. „Eine echt schnieke Party hast du hier auf die Beine gestellt!“ Nach einem Blick auf ihre Tochter fügte sie hinzu: „Aber warum musst du dich anziehen wie eine verklemmte Jungfrau?“
Errötend führte Alyssa ihre Mutter ein wenig von den Gästen weg. „Mom, bitte! “
„Du meine Güte, Lyssa, das hört doch sowieso keiner.“ Cherise betrachtete Alyssas schwarzen Hosenanzug, der noch ein wenig konservativer war als ihre sonstigen Outfits.
Ihre Mutter schien anderer Meinung zu sein. „Du bist hoffentlich nicht etwa noch Jungfrau?“
„Mom!“ Entgeistert wies Alyssa auf die anwesenden Gäste. „Das hier ist wirklich nicht der richtige Ort für solche Themen!“ Flüsternd fügte sie hinzu: „Und nur zu deiner Information: Manche Leute entscheiden sich bewusst für Enthaltsamkeit, weil sie diesen Lebensstil …“
Ihre Mutter schnaufte. „Ein Lebensstil, bei dem man kein Leben hat? Absurd!“
„Ms Hunt.“
„Ja?“, sagten beide gleichzeitig und wandten sich um. Charles kam auf sie zu – und streckte Cherise den Ellbogen hin. „Darf ich Sie ein wenig herumführen und Ihnen alles zeigen?“
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Das ist aber wirklich lieb von Ihnen, Schätzchen!“
Ihre Wortwahl ließ Alyssa zusammenzucken.
„Ms Hunt“, wandte sich Charles an sie. „Mr Domingues bittet Sie, mit ihm gemeinsam die Gäste zu begrüßen.“
Starr blickte Alyssa Charles und ihrer Mutter nach. Die Gäste begrüßen? Unter diesen befanden sich die wohlhabendsten und einflussreichsten Einwohner von ganz South Miami Beach! Die Vorstellung, sich diesem geballten Reichtum zu stellen, machte ihr Angst.
Alyssa presste sich die Hand auf die Stirn und rang nach Luft. Dann ließ sie den Arm sinken und schüttelte die Hand, um sie zu lockern. Los jetzt, ermunterte sie sich. Sie atmete tief ein, rang sich ein Lächeln ab und ging ins Foyer.
Dort ließ sie den Blick umhergleiten, um Gäste zu finden, die aufgeschlossen und zugänglich wirkten – und entdeckte Tessa Harrison, die Mutter einer ehemaligen Kommilitonin. Die hoheitsvoll auftretende Frau war unglaublich reich, wovon auch ihr üppiger Schmuck und ihr Designeroutfit zeugten.
Tessa Harrison hatte sie einmal mit einem Catering beauftragt – und wie eine Dienstmagd behandelt. Auch die spöttische Stimme ihrer Tochter hatte Alyssa noch genau im Ohr. Doch das Schlimmste war das gemeinsame Mittagessen gewesen, das im zweiten Studienjahr im Oston College für Eltern und Studierende stattgefunden hatte. Es hatte damit geendet, dass sie von der Polizei abgeführt wurde – zum zweiten Mal in ihrem Leben.
Ihr wurde schwindelig. Mit klopfendem Herzen drehte sie sich um und entfernte sich, an der Wand entlanggehend, von den Gästen. Als sie wieder den Gang erreichte, der zum Angestelltenbereich führte, lehnte sie sich gegen die Tür, legte den Kopf zurück und versuchte, sich zu beruhigen.
In diesem Moment hörte sie, wie Schritte sich näherten. Dann umgab sie der Duft von Paulos würzigem, maskulinem Aftershave. Sofort war die Erinnerung an die Nacht wieder da, die
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