Vorsicht, Zickenzone
Menge unterschiedlicher Modelle zur Verfügung, die sie â sozusagen als eigenes Werbeplakat â gerne trägt. Aber das wussten die Zicken neben mir natürlich nicht und lieÃen ihrem Neid freien Lauf. Dass ihre Tochter eine Milchunverträglichkeit hat und kein Eis essen darf, auch das kam den Zetertanten nicht in den Sinn. Hauptsache Senf absondern. Und gucken.
Die Ãko-Fraktion beäugte misstrauisch die Style-Ecke â und umgekehrt. Hektisch wurden die Mütter, wenn sich plötzlich ein barfüÃiges Kind in geringeltem Schafwollpulli auf den Spielturm verirrte, der bereits von einer Kinderschar in Mini-Moncler-Jacken besetzt war. Oder wenn ein Style-Kid gnadenlos Ahoi-Brause-Bonbons verteilte und die kleinen Naturburschen Schlange standen. Unerhört. Ungesund. Dann war Krieg angesagt. Dann wurden die Mamas zu Feldwebeln, pfiffen ihren Nachwuchs zurück zum eigenen Lager, auf der Stelle. Auch ich wurde mit Argusaugen von allen Seiten beobachtet: Wo kommt denn die her? Noch nie gesehen. Zu hübsch, zu hässlich, zu jung â oder: so alt und noch so kleine Kinder? Kein »Grüà dich, hier ist noch ein Platz frei!«. Die Werte, die sich Eltern für ihre Kinder wünschen, wie Offenheit, Freundlichkeit, Respekt und Toleranz, die hatten die anderen Mütter an diesem Tag ganz unten in ihren dicken Fjällräven-Rucksäcken oder in ihren cremefarbenen Chloé-Bags versteckt. Dafür lag Missbilligung ganz oben.
Dann passierte es: Eine Mama aus der Trend-Liga kam in meine Richtung. Ihr Blick schien zu sagen: »He, siehst gut aus, bist eine von uns!« An diesem Tag kam ich frisch aus der Redaktion direkt auf den Spielplatz â für meinen Geschmack unpassend für so viel Sand. Anscheinend aber hatte ich mit meinen Klamotten genau den Geschmack der gestylten Mütter getroffen. Da kam sie also in beigen Ugg-Boots und SkinnyJeans auf mich zugetrabt. Unter ihrer 300-Euro-Marc-Jacobs-Bluse blitzte ein teurer Push-up-BH durch, der mir ins Gesicht schrie: »Hängebusen nach dem Stillen? Nicht mit mir!« Wir plauderten über die süÃen Kleinen, über unser Viertel, das immer mehr Familien anzieht. Ihr gefiel meine knallblaue Chino-Hose. »Zara, 29,90 Euro. Aus dem letzten SSV. Sieht man gar nicht, oder?« Betretenes Schweigen. In dem Moment rutschte mir mein hellgrauer Riesenbeutel von der Schulter und sie starrte entsetzt auf das zerfetzte Innenfutter, das unter der schweren Last von Trinkflaschen, Brötchentüten, Feucht tüchern, überreifen Bananen, Star-Wars-Sammelalben, Play mobilmännchen, Bachblüten-Rescue-Creme und Kastanien vom letzten Herbst zerrissen war. Das wollte ich ihr gerade erklären. Aber da stiefelten die Uggs schon davon. In Richtung Modehaufen.
Als ich beim nächsten Mal in Jeans, Converse und Sweatshirt auf den Spielplatz kam, sprach mich eine der sportlichen Mamas an, in der Hoffnung, für ihre Kinder einen MitfuÃballer gefunden zu haben und eine Gesprächspartnerin für die lauen Spielplatznachmittage. Aber auch da war das Glück nur von kurzer Dauer. Erstens mögen meine Jungs keinen FuÃball. Und zweitens war ich als völlig unsportliche Mutter nicht die richtige, um über Ski-Wochenenden, Wandertouren oder Reisen mit Zelt und Wohnmobil zu plaudern. Schon war ich auch hier aus dem Rennen.
Da stand ich also und wollte doch eigentlich nur über den ganz normalen Alltagswahnsinn mit Kindern quatschen. Mit einer Mutter, einer Gleichgesinnten, egal, was sie trägt, wo sie ihren Urlaub verbringt oder ob sie zum dritten Mal geschieden ist. Und ich fühlte mich plötzlich wieder zurückversetzt in meine Teenagerjahre zu Zeiten der alten Mädchencliquen. Auch damals war es ein Pokerspiel: Gehört man dazu oder nicht? Wird man von den anderen akzeptiert und aufgenommen in die heilige Runde? Kaum Mama geworden, geht das ganze Spiel wieder von vorne los, versucht man erneut, irgendwo dazuzugehören, um die nicht enden wollenden Nachmittage auf dem Spielplatz mit jemandem zu teilen. Aber mit wem? Wo passt man rein? Wer will einen um sich haben?
Wer also denkt, Mama ist gleich Mama, hat sich gewaltig geschnitten! Da gibt es klare Linien: Ugg-Boots gegen Deichmann-Halbschuhe, Gemüseauflauf gegen Fertigpizza, Schulmedizin gegen Globuli, dick gegen dünn, Job-Mama gegen Nur-Mama usw. Dazu konstruieren die Medien Bilder von uns neuen Müttern, immer locker, mit beiden
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