Vorsicht, Zickenzone
mitspielen!«, bellt sie meine Jungs an. »Das ist doch mal wieder typisch Junge!«, zickt sie mich mit bösem Blick an, als ich mich zu meinen Söhnen stelle. Die schauen mich ratlos an und verstehen die Welt nicht mehr. Und ich ehrlich gesagt auch nicht.
Früher war das klarer: Jungs trugen blau und waren Rabauken, sie durften nicht weinen, dafür gingen sie auf die Uni und verdienten später das Geld. Mädchen trugen rosa, spielten mit Puppen, konnten heulen und Plätzchen backen und stellten sich früh auf ihre Mutterrolle ein. Im Zuge der Emanzipation haben sich diese Rollenklischees aufgelöst. Es gibt Puppen für Jungs und FuÃballvereine für Mädchen. Alle dürfen heulen, kochen und backen und Geld verdienen. Und wie ist das mit dem Wildsein? Bei Mädchen gilt es heute als cool und selbstbewusst, wenn sie die Jungs auf dem Klo einsperren und die Tür zuhalten. Würde das ein Junge machen, steigt das gleich übel hoch mit dem Beigeschmack: Männergewalt gegen die unterdrückte Frau. Und wir Mütter sind ratlos: Wie sollen wir heute einen Jungen erziehen, der sich gut benimmt, sozial verträglich verhält (was auch immer das inzwischen heiÃen mag), ein starker Typ ist, sportlich natürlich, aber bloà kein Chauvi? Das sind ja höhere Anforderungen als die, die wir Mütter an uns selbst den lieben langen Tag stellen. Aber halt: Die Erzieherinnen von Mädchen haben es da auch nicht leichter. SchlieÃlich sollen die Mütter von morgen klug und zugleich hübscher als Germanys Next Topmodel sein. Tough sollen sie sein, nicht zu weinerlich, einen Einser-Abschluà machen und im Ballett-Tutu niedlich aussehen.
Trotzdem: »Mädchen-Mütter haben durch die Emanzipation gewonnen, vor allem an Selbstbewusstsein. Denn längst gelten ihre Töchter als das starke Geschlecht, die neue Elite. Jungs-Mütter fühlen sich gedemütigt, weil die anderen die scheinbar besseren Mütter sind â denn deren Kinder funktionieren. Jungen dagegen machen sich oft unbeliebt. Sie flegeln, stören, schlagen. Am Ende der Fahnenstange, bei den Verhaltensstörungen, sind Jungen klar in der Mehrheit. Mädchen stehen inzwischen automatisch als Unschuldsengel da. Durch diese Differenzen ist jeder Sinn für Zusammenhalt beim Teufel. Auf beiden Seiten.«, schreibt Barbara Czermak weiter.
Die groÃe Verunsicherung
N och nie wusste eine Elterngeneration so viel über Erziehung, über die körperliche und seelische Entwicklung ihrer Kinder. Noch nie wurden Kinder so fachwissenschaftlich beobachtet. Noch nie gab es so viele Ratgeber darüber, wie sich ein Kind zu verhalten hat, was es wann und wie viel essen sollte, was es alles können muss usw. Intuition und Elterninstinkt bleiben dabei vollkommen auf der Strecke. Das Vertrauen in uns selbst verblasst immer mehr, wenn es darum geht, was für unsere Kinder gut ist. Wir haben kein Vertrauen mehr in spontane Handlungen, alles wird abgewägt, hinterfragt und analysiert. Auch unseren Kindern trauen wir immer weniger zu. Wir lassen sie nicht mehr alleine auf die StraÃe, bringen sie bis zur vierten Klasse in die Schule, kontrollieren jeden Schritt, jeden Freund, jedes Hobby. Das beginnt schon auf dem Spielplatz.
Wenn Kinder aufeinandertreffen, dann kracht es eben manchmal. Hier zerrt einer am Bagger, dort zertritt ein anderer eine frisch konstruierte Burg, da fliegt eine ordentliche Fuhre Sand ins Auge. Das ist nicht schön, aber auch nicht tragisch. So eine kleine Auseinandersetzung können selbst Dreijährige schon alleine unter sich ausmachen, solange nicht einer haushoch überlegen ist und gefährlich handgreiflich wird. Als sich zum Beispiel einmal auf dem Spielplatz eine Horde Siebenjähriger über die Plastik-Eiswaffel-Sammlung meines kleinen Sohnes hermachte, war Hilfe von auÃen notwendig. Ich wartete jedoch erst einmal ab, denn die Situation war nicht gefährlich. Nachdem mein Sohn mehrere Schimpftiraden in Richtung groÃe Jungs losgelassen hatte und dazu verschieden grimmige Mienen aufsetzte â und alles ohne Erfolg blieb â, wollte ich gerade eingreifen. Da kam mir mein älterer Sohn zuvor. Die GroÃen kannten sich und regelten das unter sich. Mit einem »He, lasst mal das Spielzeug meines kleinen Bruders in Ruhe. Kommt, wir bauen dahinten aus Stöcken eine Hütte« war die Sache gegessen. Nicht, dass meine Jungs sich sonst blendend
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