Vorstadtkrokodile
Haus, aber so, dass es meine Mutter nicht sieht.«
Sie waren erstaunt, fragten aber nicht. Unter dem Balkon musste Frank dann ein Paket aufnehmen, es war eingewickelt und mit Tesafilm verklebt.
Sie fragten, was er da eingewickelt habe, aber Kurt gab keine Antwort.
Erst als sie alle auf dem Kirchvorplatz versammelt waren, wickelte er das Papier ab. Zum Vorschein kam eine Sperrholzplatte von fünfzig mal fünfzig Zentimetern, die Fläche war weiß gestrichen und darauf hatte Kurt mit roter Ölfarbe geschrieben: »Vorsicht! Betreten des Minigolfplatzes ist nur geistig und körperlich normalen Menschen erlaubt. Alle anderen Spieler zerstören den Rasen! Der Besitzer.«
»Das habe ich heute Nacht gemalt«, sagte Kurt.
Jeder wollte einmal die beschriftete Tafel in die Hand nehmen, sie hatten ihren Spaß daran und Olaf rief: »Das hängen wir jetzt dem Kerl an den Zaun. Das geht ganz gut, der macht ja seinen Platz erst nachmittags auf, der ist jetzt nicht da.«
Sie fuhren zum Minigolfplatz, der noch geschlossen war, und befestigten die Tafel so auffällig, dass jeder sie sehen musste. Dann liefen sie durch den Wald zum Ziegeleigelände.
Aber als sie an der Steigung angekommen waren, von
wo aus es noch hundert Meter bis zur Umzäunung waren, versperrten ihnen zwei Polizeifahrzeuge den Weg. Niemand durfte weiter. Von ihrem Platz aus konnten sie jedoch die Vorgänge auf dem Ziegeleigelände gut verfolgen.
»Wenn der Kamin in die Luft fliegt, dann ist bestimmt das Dach kaputt und unsere Hütte auch«, sagte Peter.
»Da fliegen keine Steine in die Luft«, erwiderte Olaf. »Mein Vater hat gesagt, der Kamin klappt bei der Sprengung zusammen wie ein Kartenhaus.«
Plötzlich bemerkten sie Egon, der mit seinen beiden Freunden einige Meter neben ihnen stand.
Kurt stieß Olaf an, aber Olaf sagte: »Hab sie schon gesehen. Du, dem Karli sein Vater ist bei der Autobahnpolizei, der fährt so einen ganz schnellen Porsche. Die haben nie und nimmer was mit der Sache zu tun.«
Die drei Mopedfahrer und die Krokodiler starrten auf das Gelände.
»Meinst du wirklich?«, fragte Kurt.
»Du spinnst, wenn du das glaubst«, zischte Olaf zurück.
»Ich habe schon Pferde kotzen sehen, sagt immer mein Vater«, antwortete Kurt.
»Du vielleicht, aber ich noch nicht«, erwiderte Olaf leise, damit die anderen nicht aufmerksam wurden.
Dann hörten sie einen lang anhaltenden Sirenenton, die Warnung für die unmittelbar bevorstehende Sprengung. Die etwa hundert Schaulustigen verstummten. Die Spannung wuchs, Kurt rutschte vor Aufregung in seinem Rollstuhl
hin und her. Er hatte zwar sein Fernglas mitgenommen, aber die Krokodiler rissen es sich gegenseitig aus den Händen.
Plötzlich gab es einen dumpfen Knall, gar nicht so laut, wie sie es erwartet hatten.
Gleich darauf zitterte der hohe Kamin, er wankte und dann fiel er wie in Zeitlupe in sich zusammen.
Kein Stein flog in die Luft, es war, als würde der Kamin in die Erde versinken. Nur Staub wirbelte auf, der vom Wind stadteinwärts geweht wurde.
Nach einem erneuten Sirenenton, der Entwarnung anzeigte, sagte einer der Polizisten von ihnen: »So, das war’s. Kurz und schmerzlos.«
Die Polizisten gaben den Weg wieder frei. Sie stiegen in ihre Peterwagen und fuhren in Richtung Stadt.
Nach und nach entfernten sich die Zuschauer. Die Krokodiler liefen zum Zaun, um zu sehen, was die Sprengung sonst noch für einen Schaden angerichtet hatte.
Wenn auch Kurt das Schauspiel der Sprengung aufmerksam verfolgt hatte, hatte er doch während der ganzen Zeit die drei Mopedfahrer nicht aus den Augen gelassen. Er wollte sehen, wie sie reagierten. Es war ihm nicht entgangen, dass sie beunruhigt waren und manchmal ängstlich und besorgt auf das alte Bürogebäude schielten.
Als die Sprengung vorbei war, hatten sich die drei gegenseitig auf die Schulter geklopft, als hätten sie sagen wollen: Noch mal gut gegangen.
Was die Krokodiler vor dem Zaun dann als Erstes bemerkten:
Der Maschendraht war wieder zusammengeflickt worden!
Kein Stein war durch die Sprengung auf die Trockenhalle gefallen. Wo vor der Sprengung der Kamin gestanden hatte, befand sich jetzt nur noch ein Schutthaufen, als hätten Lastwagen dort Ziegel und abgetragenes Mauerwerk abgekippt. Plötzlich standen die drei Mopedfahrer hinter ihnen.
Egon fragte seinen Bruder: »Sag mal, was machst du denn schon wieder hier?«
»Dumme Frage«, erwiderte Frank. »Zuschauen. Genau wie du.«
»Hau lieber ab«, sagte Egon.
»Hau du doch ab«,
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