Vorstadtprinzessin
Gesicht, das eingefallen war. Ein Totenkopf.
Der Doktor saß im zementierten Gärtchen. Grinste.
»Hast du das Geschenk dabei?«, fragte er.
Er saß im offenen Hemd. Die Ärmel aufgerollt. Beinah wieder Sommer. An seinem Hals tanzte eine dicke Ader. Vielleicht die Vorfreude.
Max griff in die Innentasche seiner Jacke und holte die Spritze hervor.
Kringel hatte drei schmierige Gläser hingestellt.
»Unser Gastgeber lädt uns noch zu einem Wein ein«, sagte der Doktor.
Er lachte laut. Hatte alles im Griff. Kringel. Max.
»Bereite sie mal vor«, sagte er. Kringel schien nichts zu begreifen.
Max nahm die Spritze und zog sie auf.
Und stach ihre Nadel in die dicke Ader am Hals des Doktors.
Kringel sah sehr überrascht aus. Der Doktor auch.
Max atmete tief aus. Der Name des Doktors. Er hatte sich gequält damit, ihn nicht zu verraten. Sollten nun andere herausfinden, wer dieser Mann gewesen war.
Später Nachmittag war es, als der Kommissar von Max Oldelevs Festnahme hörte. Er rief den Kollegen vor Ort an und ließ sich von ihm schildern, was geschehen war in einer Kellerwohnung im Schanzenviertel. Max selbst hatte die Polizei von seinem Handy aus gerufen.
Lüttich fuhr zum Untersuchungsgefängnis im Holstenglacis und hörte, was Max zu sagen hatte.
»Ich tue für Sie, was ich kann«, sagte er nach dem Gespräch.
Max Oldelev hatte erleichtert gewirkt. Doch er schwieg zur Identität des Toten. Gab nur den Titel »Doktor« preis.
Kringel war ins Mariahilf nach Harburg gebracht worden. Geschlossener Drogenentzug. Eine Chance im allerletzten Moment.
Die Werkstatt war schon geschlossen, als Lüttich ankam. Er fuhr gleich zur Wohnung der Oldelevs weiter.
Max Oldelevs Mutter hatte vor Schreck geweitete Augen, als sie den Kommissar vor der Tür stehen sah. Lucky und seine Schwester Mia saßen am Küchentisch und aßen belegte Brote.
Beinah hätte Lüttich gesagt, dass er eine gute Nachricht habe.
Doch er erzählte nur von Max’ Tat am Mittag.
Frau Oldelev brach in Tränen aus. Lucky wirkte noch viel erleichterter, als es sein großer Bruder getan hatte.
»Gott sei Dank«, sagte er. Mutter und Schwester sahen ihn fassungslos an. »Ich will nicht, dass Max ein Mörder ist«, sagte Mia.
»Ich glaube, Ihr Sohn Lukas weiß, in welch großer Lebensgefahr Max gewesen ist«, sagte der Kommissar. »Ich hatte befürchtet, ihn irgendwann tot aufzufinden.«
»Wer ist der Mann, den er getötet hat?«, fragte Lucky.
Doch Lüttich wusste noch nicht, wer der Doktor gewesen war.
Nur dass er mit Drogen gehandelt hatte.
Theo erreichte die Nachricht anderthalb Stunden später. Lucky kam zu ihm, nachdem er Mia und seine Mutter getröstet und Mama davon abgehalten hatte, gleich ins Gefängnis zu fahren, um Max Wäsche zu bringen und was Warmes für die kälter werdenden Tage.
»Gott sei Dank«, sagte Theo.
»Meine Worte«, sagte Lucky. »Mia hat Angst, dass in der Schule mit Fingern auf sie gezeigt wird. Doch Mama hat kapiert, dass sie ihren Sohn sonst nur tot wiedergekriegt hätte. Der Kommissar war wirklich ziemlich einfühlsam. Hat gesagt, er hält es für eine Art Notwehr, was Max da gemacht hat.«
»Und wer ist der Typ?«
»Er hat sich ›Doktor‹ nennen lassen. Hatte wohl einen ganzen Haufen Idioten herumlaufen, die Drogen für ihn gedealt haben.«
»Wie ist Max da nur reingeraten?«
»Max ist ziemlich durchgedreht, als sich unser Herr Vater verdrückt hat«, sagte Lucky. »Ich kann mir vorstellen, dass er am Anfang provozieren wollte, um ihn zurückzuholen. Väterliches Pflichtgefühl und so. Doch dann ist er leider diesem Doktor über den Weg gelaufen und von da an ging es bergab mit ihm.«
»Und jetzt hat er einen Menschen getötet«, sagte Theo.
»Tja«, sagte Lucky, »das darf man nicht vergessen. Auch wenn dieser Doktor ein Scheißkerl gewesen ist. Habt ihr ein Bier da?«
Sie gingen in die Küche hinunter. Theo stellte zwei Büchsen Holsten auf den Tisch. Ma kaufte immer Holsten. Nie Astra.
»Bist du allein zu Haus?«
»Pa ist noch auf Hiddensee und Ma?« Theo hob die Schultern.
»Chorprobe?«
»Die findet dienstags statt.«
»Ich hab diesen Hardy im Lichtgrün gesehen. Hab ich das schon erzählt? Die Wirtin hat an ihm herumgetätschelt. Schien ihm nicht zu gefallen. Trifft er sich noch mit deiner Mutter?«
»Keine Ahnung. Willst du auch ein Glas?«
Lucky schüttelte den Kopf und setzte die Büchse an die Lippen. Er guckte aus dem Küchenfenster zu Ellerbeks Haus hinüber.
»Irgendwelche
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