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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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draußen ging. »Ihr goldnes Geschmeide blitzet, sie kämmt ihr goldenes Haar.«
    Lucky schloss das Auto auf und setzte sich hinein. Doch er fuhr noch nicht los. Er wollte hören, wie es mit dem goldenen Haar weiterging.
    »Sie kämmt es mit goldenem Kamme und singt ein Lied dabei, das hat eine wundersame gewaltige Melodei.«
    Wenn das kein Text für Theo war. Lucky grinste. Er sollte es ihm vorsingen. Doch er hatte den Text längst vergessen, als er bei Theo vorfuhr, um das Leni-Gedenkbier mit ihm zu trinken.

    Leni klang nicht glücklich, als sie mit Paps telefonierte.
    Er saß allein am Frühstückstisch und tat ihr leid.
    Doch Leni tat sich auch leid.
    Maman hatte in Nizza am Flughafen gestanden und total angestrengt gewirkt. Die Wiedersehensfreude hätte größer sein können. Das Haus in Gassin war nett. Der Pool groß. Doch die ganze Zeit hing ein arroganter Kerl herum, der mindestens zwanzig Jahre jünger war als Paps. Gegen ihn sah auch Maman alt aus.
    Und das Schreckliche war, dass Maman sie wohl als Konkurrenz betrachtete. Ständig an ihr mäkelte. Sie auf Schritt und Tritt verfolgte, damit Leni nicht eine Sekunde lang allein mit dem Kerl dastand.
    Leni klagte Paps die Ohren voll. Ganze zehn Minuten über den Kerl.
    Paps musste glauben, dass es im Haus ihrer Mutter zuging wie im Haus von Penelope, als Odysseus von seiner Odyssee nach Hause kam.
    Lauter Freier, die herumhingen. Doch es war nur einer. Der reichte für zwölf.
    »Ich komme nächste Woche zurück«, sagte Leni zu Paps, »wenn du schwörst, dass ich nicht ins Internat muss.«
    Paps schwieg. Er sah das Internat als letzte Chance. Er war Leni längst nicht mehr gewachsen. Leni gab den Hörer an Maman weiter.
    Sie schrien sich eine Weile an. Maman und Paps.
    Leni entschied, in Frankreich zu bleiben. Sie ging in das Gästezimmer und holte eine der silbernen Schablonen aus dem Koffer.

    »Mir geht der kleine Junge nicht aus dem Kopf«, sagte Theos Mutter, »wie er im Wald vergraben wurde.«
    »Er ist inzwischen mindestens so alt wie du«, sagte Theo.
    »Was wohl aus ihm geworden ist?«
    Theos Vater hatte ein paar Tage Urlaub genommen und war zu Tante Ebba gefahren und dann weiter zur Insel Hiddensee. Einfach ein paar Tage ausspannen. Allein. »Tut uns beiden gut«, sagte Ma.
    Theo kaufte Hefte ein und Stifte. Die Ferien gingen zu Ende. Im Februar schrieb er sein Abitur. »Dann fängt der Ernst des Lebens an«, hatte Pa gesagt. Theo fand, er stecke mittendrin.

    Max hatte die Spritze auf die Fensterbank gelegt. Das Fenster zum Hinterhof. Der kaputte Wäschespanner war nicht mehr da, nur noch die toten Pflanzen. Die Spritze lag in einem Plexiglaskästchen, wie es sie auch für Fieberthermometer gab.
    »Feinstes Heroin«, hatte der Überbringer der Spritze gesagt, »der Doktor sagt, du solltest gut damit umgehen.«
    Max sah die Spritze an und war nahe dran, ihre Nadel i n die eigene Vene zu stechen. Er wollte kein Mörder sein .
    Dirk Kringel war doch auch nur ein armes Schwein.
    Einmal fuhr er in die Schanze und stieg die kleine Treppe zu Kringels Loch hinunter. Keiner öffnete. Max ging erleichtert davon.
    Der Doktor wurde ungeduldig. Er schrie nur noch am Telefon. Ende August schrie er, dass er es selber machen würde.
    »Ich will, dass du dabei bist«, sagte der Doktor. Nun mit ruhiger Stimme.
    »Dann kannst du was lernen. Zweiter September um zwölf.«

    Max stand von seiner Matratze auf und hatte das Gefühl, dass sein Körper aus Blei gegossen war. Zweiter September. Um zwölf sollte er in der Schanze sein und dem Sterben von Kringel zusehen.
    Ein Donnerstag. Max hatte Sehnsucht danach, ein ganz normales Leben zu führen. Wie es sein kleiner Bruder tat. An Autos herumschrauben. Sich auf das Wochenende freuen. Mädchen ausführen.
    Wie es wohl Leni erging in ihrer Villa am Meer?
    Er hatte Sehnsucht danach, sich an den Küchentisch seiner Mutter zu setzen. Eingelegte Gurken zu essen. Mias Genöle anzuhören.
    Das ganz normale Leben wurde wirklich unterschätzt.
    Max stieg in die S-Bahn und fuhr zur Sternschanze. Zwölf Uhr mittags. Was war das für eine idiotische Inszenierung vom Doktor.
    Die Spritze trug Max in der Innentasche seiner Jacke. Eine Jacke, wie sie Seeleute trugen. Dunkelblau. Doppelt geknöpft. Viel zu warm.
    Der Doktor schien schon drin zu sein in diesem Keller, in dem Kringel seit Wochen hauste. Max stieg die paar Stufen hinunter und klopfte an.
    Dirk Kringel öffnete ihm. Er sah grotesk aus mit seinen spitzen Zähnen im weißen

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