Vorstadtprinzessin
beschloss, sich auch noch Nils Freygang vorzunehmen.
Tanja wurde in den Vormittagstunden des Dienstags im Wald gefunden. Nicht weit von der Stelle, in der Leni und Lucky im Moos gelegen hatten an einem Sommertag. Viel Laub war über Tanjas Körper geweht, der in einer Senke lag und nicht leicht zu finden war.
An ihrem Hals zeigten sich bräunliche Verfärbungen und kleine dunkle Flecken in Form von Halbmonden. Spuren von Fingernägeln. Ihre Augen waren weit offen und sahen erstaunt aus. Auf der Stirn hing ihr eine zu große Kosakenmütze. Dass sie aus einem Bisamfell war, würde Kommissar Lüttich erst am nächsten Tag erfahren.
Sternschnuppen
W usstest du, dass der November der Monat der Sternschnuppen ist?« Der alte Arzt drehte sich zu Theo um. »Ich habe lange Zeit geglaubt, es sei der August. Da ist der Löwe im Sternzeichen. Leo. Sternschnuppen werden auch Leoniden genannt.«
Theo hatte eine große Tasse Tee vor sich stehen. Kein schwarzes Teufelsgebräu, wie es der alte Ellerbek aufgegossen hatte.
Bunsen liebte hellen Darjeeling mit einem Schuss Milch.
Sie saßen in den Ledersesseln in Bunsens Sprechzimmer und sahen zum Fenster hinaus. Der zwölfte November war ein verregneter Tag.
Vor ein paar Stunden hatten sie Tanja zum Friedhof getragen.
»Dich bedrückt etwas«, sagte der Arzt.
Theo nahm die Tasse und zitterte ein wenig. Er hatte Sorge, eines der Bücher zu bekleckern, die sich auf dem Tisch stapelten, der vor den Sesseln stand. »Ich habe eine Information zurückgehalten. Lucky und ich haben das, wir beide. Weil wir dachten, es habe nichts mit den Morden zu tun. Doch ich bin mir nicht mehr sicher.«
»Ihr solltet zu diesem Kommissar gehen. Er macht einen guten Eindruck. Wenn er bisher auch noch nicht weitergekommen ist.«
»Ich würde es gern erst Ihnen erzählen, weil Sie die Familie kennen und die Vorgeschichte«, sagte Theo.
»Die Ellerbeks«, sagte Bunsen.
Theo nickte. »Wir waren im Haus. Zuerst ich allein. Dann Lucky und ich. Beim ersten Mal habe ich einen großen verschlossenen Koffer in dem Zimmer unterm Dach gefunden. Ich nehme an, dass es mal das von Jan Ellerbek war. Ich wollte ihn Lucky zeigen, doch da war dieser Koffer verschwunden. Nur ein leeres Zimmer.«
Er erwähnte die Kastanie nicht. Pas wegen? Weil sie unwichtig war?
»Warum wart ihr überhaupt in Ellerbeks Haus?«
»Ich habe nachts eine Taschenlampe durchs Haus tanzen sehen.«
»Und da wolltest du gucken, was los war.«
»Der alte Ellerbek und ich haben uns gut verstanden«, sagte Theo.
»Hast du einen Schlüssel?«
»Nein. Mein Vater hat einen. Den hat Ellerbek ihm wohl nach dem Tod seiner Frau gegeben. Falls mal ein Notfall ist.«
»Du hast den Schlüssel genommen.«
»Die Kellertür lässt sich leicht knacken.«
»Dann kann da ja jeder ein- und ausgehen.«
»Den Trick muss man kennen«, sagte Theo.
»Das ist aber nicht das, was dich bedrückt«, vermutete Bunsen.
»Lucky und ich haben zufällig entdeckt, dass hinten am Haus eine Fensterscheibe eingeschlagen worden war. Oben unter dem Dach. Ein Fenster zu einem Zimmer, von dessen Existenz wir gar nichts ahnten.«
»Eingeschlagen von jemandem, der den Trick mit der Kellertür nicht kannte«, sagte Bunsen.
»Wir sind hochgeklettert«, sagte Theo. Wie leicht sich das anhörte. Er hatte es als Besteigung der Eiger Nordwand in Erinnerung. »Und da stand der Koffer. Geöffnet. Mit Kinderkram drin. Von Jan Ellerbek vermutlich. Einen Tag später habe ich die Tapetentür im anderen Zimmer gefunden. Derjenige, der im Haus war, kannte zwar nicht den Trick mit der Kellertür. Doch er wusste von dem Zimmer hinter der Tapete.«
»Ich finde es nicht ungefährlich, was ihr da tut.«
»Glauben Sie, dass es mit den Morden zu tun hat?«
Der alte Arzt sah lange vor sich hin. »Ist euch sonst was aufgefallen?«
»Ellerbeks Pendeluhr ist weg. Darüber hängt eine olle Zeichnung. Der Wintermantel aus Loden fehlt auch. Nur noch ein Knopf lag auf dem Boden im Flur.« Er zog den Hirschhornknopf hervor.
»Den hast du jetzt als Talisman?«
»Ja«, sagte Theo. »Lucky meinte, der Bestatter könnte die Uhr und den Mantel genommen haben.«
Bunsen nickte. Auch er schien es für möglich zu halten. »Meines Wissens gibt es nur noch zwei Menschen, die von dem kleinen Zimmer hinter der Tapetentür wissen können«, sagte er dann.
»Wer sind diese zwei Menschen, Doktor Bunsen?«
»Jan Ellerbek«, sagte Bunsen, »und der kleine Rickie.«
Theo sah ihn erstaunt an. »Wieso dieser
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