Vorstandssitzung im Paradies
warteten, bis sie verfaulten. Sie hatten eine probate Methode gefunden, den Gärungsprozess zu beschleunigen: Sie sammelten vom Boden und von den Ästen der Bäume eine pilzartige Masse, eine Art Schimmel, den sie in warmem Wasser weichen ließen, das ergab eine recht gute Paste, die sie zu den gärenden Früchten in den Bottich gaben. Nun stampften sie die Mischung und erwärmten sie vorsichtig, damit die Gärung richtig in Gang kam. Nach mehreren Tagen fügten sie in den Bottich noch mehr warmes Wasser und weitere Früchte hinzu, und das Ergebnis war eine Art Sider. In dieser Phase hieß es aufpassen, damit die Flüssigkeit nicht zu Essig wurde – und am Ende des Gärungsprozesses gruben sie den dreißig Liter fassenden Holzbottich in die Erde. Bei den dort herrschenden kühlen Temperaturen verlangsamte sich die Gärung, und an der Oberfläche bildete sich trinkbarer Wein.
Diesen Dschungelwein hatten sie mehrere Wochen lang hergestellt und konsumiert, aber als der tropische Sturm es ermöglicht hatte, aus den Flugzeugteilen Destillationsapparate anzufertigen, hatten sie beschlossen, statt Wein lieber ein schärferes Getränk zu produzieren. Das System funktionierte inzwischen, momentan war die zweite Fuhre Kokosschnaps in Arbeit.
Das Schnapsbrennertrio geizte nicht, sondern schenkte uns großzügig nach, und wir sagten nicht Nein. Das Zeug schmeckte sehr scharf, aber das hatte Branntwein nun mal so an sich. Ich hatte in Finnland schon viel schlechteren getrunken und musste ihn sogar noch bezahlen.
Der Kokosschnaps stieg uns zu Kopf, und wir verdammten die drei Hersteller nicht, sondern schlossen uns ihrer fröhlichen Gesellschaft an. Das Feuer unter dem Kessel wurde geschürt, und wir verfolgten mit eifrigem Interesse das Heraustropfen der Flüssigkeit am Ende des Rohrs. Zigaretten fehlten uns zwar zum vollständigen Genuss, aber sonst war unsere Stimmung wirklich prima.
Gegen Abend torkelten wir an den Strand zurück und waren so betrunken, dass das ganze Lager von der Sache erfuhr.
Es kam der nächste Tag.
Die Lagerbewohner warfen Vanninen und mir vor, wir seien verantwortungslos und unzuverlässig, da wir uns des Konsums von heimlich gebranntem Alkohol schuldig gemacht hatten, obwohl wir der Leitung des Lagers angehörten. Wir gaben die Entgleisung zu und erklärten uns bereit, die entsprechende Strafe zu empfangen.
Eine Versammlung wurde abgehalten, und auf ihren Beschluss hin wurden wir aus der Leitung entlassen, in der nur mehr die schwarze Hebamme verblieb, Lakkonen, Lämsä und Reeves wurden zu zwei Tagen verschärftem Arbeitseinsatz beim Bäumefällen verdonnert.
Aber die Sache war damit noch nicht abgeschlossen. »Da es diesen Männern gelungen ist, unter den hiesigen Bedingungen Alkohol herzustellen, müssen wir gemeinsam entscheiden, wie wir uns künftig dazu verhalten. Wollen wir das Schnapsbrennen erlauben oder nicht?«, fragte die schwarze Hebamme.
Sofort spaltete sich das Lager in zwei Gruppen: Die einen waren für absolute Enthaltsamkeit, die anderen fanden, dass wir kein Verbot verhängen, sondern die Alkoholherstellung legalisieren und für das ganze Lager Ausschankregeln festlegen sollten.
Wir beschlossen abzustimmen.
Der Beschluss fiel knapp aus: Mit einer Mehrheit von zwei Stimmen wurde das angestrebte Verbot gekippt und die Alkoholherstellung somit gebilligt.
Danach war es dann einfach, ein Alkoholgesetz für das Lager festzulegen. Die Herstellung sollte ausschließlich außerhalb der Arbeitszeit erfolgen, damit dadurch nicht das Leben im Lager belastet und der Fortgang der Rodungsarbeiten gefährdet würden, außerdem beschlossen wir, dass die Abstinenzler unter uns nicht an der Herstellung teilzunehmen brauchten und dass das Trinken überwacht würde, damit niemand dem Suff verfiel und seine anderen Aufgaben vernachlässigte.
Der Preis des Getränks wurde dahingehend festgelegt, dass eine Stunde gemeinnütziger Arbeit zum Empfang von zwei Bechern Kokosschnaps berechtigte. Etwa 12 cl, danke.
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Nach dem Knatsch mit dem Kokosschnaps leitete also die schwarze Hebamme allein das Lager, da Vanninen und ich wegen unseres Vergehens entlassen worden waren. Wir waren darüber nicht gerade böse, denn die Leitung einer so großen Gemeinschaft ist letzten Endes eine ziemlich undankbare Aufgabe. Die schwarze Hebamme brachte Schwung in den SOS-Plan. Sie war die geborene Organisatorin: Die Arbeitsgruppen bekamen genaue Anweisungen, die Instandhaltung der Arbeitsgeräte wurde organisiert,
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