Vorstandssitzung im Paradies
beschloss ebenfalls, dass das Studium der finnischen Sprache planmäßig erfolgen würde. Bis dahin waren bei uns drei, vier Sprachen durcheinander gesprochen worden, hauptsächlich jedoch finnisch und englisch. Da wir Finnen in der Mehrzahl waren, dominierte auch unsere Sprache im Lager, und die Vertreter der anderen Nationen hatten sie in dem einen Monat unseres Aufenthalts schon ganz gut gelernt. Jetzt war es jedoch an der Zeit, einen richtigen Finnisch-Unterricht in die Wege zu leiten, denn ein einjähriger Aufenthalt auf der Insel bedeutete, dass wir sobald wie möglich die Sprachprobleme loswerden mussten.
Da sich unsere Verpflegungssituation gebessert hatte, verfügten wir über mehr Zeit als bisher. Wir vereinbarten, dass zweimal täglich Finnisch-Unterricht stattfinden sollte, eine Stunde am Morgen und zwei Stunden am Abend. Ferner wurden zwei Gruppen gebildet, in denen Schwedisch und Englisch gelernt wurde. Die Teilnahme daran war freiwillig, und bald schlief dieser Unterricht denn auch ein – die Finnen legten keinen Wert auf Englisch oder Schwedisch, und die Vertreter dieser Länder wiederum hatten keine Lust auf die jeweils andere Sprache, da sie ja auf jeden Fall Finnisch lernen mussten. Vanninen betätigte sich gern als Lehrer, und auch ich musste Unterricht geben.
Papier fehlte uns – oder besser gesagt, wir hatten weder Papier noch Lehrbücher. Wir malten unsere Notizen mit einem Span in den Sand, und das ging ganz gut.
Der Finnisch-Unterricht zeigte bald Wirkung, sodass die größten Sprachschwierigkeiten beseitigt waren. Trotzdem wurden weiterhin mehrere Sprachen gesprochen, und das war auch gut so, denn schließlich vertraten wir unterschiedliche Nationen.
Frau Sigurd nahm allerdings nie am Finnisch-Unterricht teil, was aber nicht bedeutete, dass sie sich sprachlich nicht weiterbildete. Für sie ergab sich nämlich die Möglichkeit zu einem noch interessanteren Studium – der Indonesier Janne hatte begonnen, ihr seine Muttersprache beizubringen.
Die beiden waren inzwischen zusammengezogen. Dieser Umstand wirkte sich nicht nur für sie, sondern für das ganze Lager positiv aus. Frau Sigurd war irgendwie umgänglicher geworden, nachdem sie mit Janne eine provisorische Familie gegründet hatte. Mir schien, dass sie selbst mich nicht mehr mit so stechenden Blicken ansah wie vorher.
Trotz des gemeinsamen Daches mit dem Indonesier ließ sich Frau Sigurd von unseren Ärzten keine Spirale einsetzen.
22
Wir machten uns mit großem Eifer an die Realisierung des SOS-Planes. Die Äxte wurden geschärft, Pfähle geschnitzt, die ersten Bäume gefällt. Wir bildeten mehrere Gruppen, die sich an den Arbeitsgeräten abwechselten, denn die Äxte reichten nicht für alle. Außerdem fielen noch andere Arbeiten an: Äste mussten aus der Schneise geräumt, in der Untervegetation Platz für Feuerstellen geschaffen, die großen Stämme zur Seite geschafft werden.
Ehe die Arbeit richtig in Gang kam, gab es jedoch einen Zwischenfall, an dem leider auch ich beteiligt war.
Die finnischen Waldarbeiter Lakkonen und Lämsä waren gute Freunde, und immer öfter sah man noch einen dritten Mann in ihrer Gesellschaft, nämlich George Reeves, den zweiten Copiloten der britischen Maschine. Diese drei waren in der Freizeit viel zusammen – sie jagten, fischten und lernten gemeinsam. Oft verschwanden sie für längere Zeit im Dschungel, blieben sogar ganze Nächte auf ihren Ausflügen weg.
Als dann der Sturm die Tragfläche des Flugzeugs in den Dschungel geschleudert hatte, bauten die Männer mit großem Eifer Leichtmetallplatten von dem Flügel ab. Sie sagten, dass sie daraus Kochgeschirr für das Lager anfertigen wollten, und ein paar kleine Töpfe übergaben sie tatsächlich an die Lagerküche. Aber sie hatten sehr viel mehr Blech abmontiert, und wofür sie den größeren Rest benutzten, erfuhren wir nicht.
Eines Tages sagte Vanninen zu mir: »Mir scheint, die drei haben irgendetwas Besonderes am Laufen.«
Er erwähnte noch, dass Lakkonen, Lämsä und Reeves in letzter Zeit immer sehr lustig seien, sie sangen britische Seemannslieder und finnische Bänkelgesänge und wollten sich schier totlachen über Witze, die ein Außen stehender überhaupt nicht verstand. »Sieh mal, jetzt zum Beispiel«, sagte Vanninen. »Da drüben lärmen sie wieder herum.«
»Wenn ich nicht wüsste, dass der japanische Spiritus bei Frau Sigurd in sicherer Verwahrung ist, würde ich sagen, die drei haben ihn getrunken«, sagte
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