Vorstoß ins Niemandsland
Ein Commander namens Leslie
Du bist lange nicht hier gewesen , dachte Commander Richard J. Leslie, als er den großen, lichtdurchfluteten Raum betrat.
Von der Fensterfront aus bot sich ein beeindruckender Panoramablick auf das Meer und die Bucht von Tanger. Die Sonne ließ die gekräuselte Wasseroberfläche wie Myriaden von Perlen glitzern. Die sanfte Brandung erzeugte ein allgegenwärtiges und sehr charakteristisches Rauschen. Spezielle akustische Rezeptoren übertrugen dieses Rauschen eins zu eins ins Innere des Hauses, das den arabischen Namen Darel-Leslie trug.
»Es ist schön, dass du auch da bist«, sagte eine wohl vertraute Stimme in Richard Leslies Rücken.
Er drehte sich um.
»Dan!«, stieß er hervor und grinste. »Oder muss ich dich neuerdings Bruder Daniel nennen?«
»Angemessen wäre es«, erwiderte der junge Mann mit den leicht gelockten, dunklen Haaren. Der Blick seiner meergrünen Augen wirkte ungewöhnlich intensiv und schien alles zu durchdringen.
Dan Leslie hatte sich vor kurzem dem Wissenschaftlerorden der Christophorer angeschlossen, nachdem er einige Jahre an der Brüderschule des Ordens auf Sirius III studiert hatte.
Diese Brüderschule besaß im Bereich der Solaren Welten in Bezug auf die Erforschung extraterrestrischer Kulturen das mit Abstand größte Ansehen. In erster Linie war sie für Mitglieder des Ordens bestimmt, die danach zu Expeditionen in die Weiten des Alls aufbrachen – getrieben von einem friedlichen Forscherdrang, der fremde Kulturen in erster Linie zu verstehen und nicht zu verändern versuchte.
Oft harrten Gruppen von Christophorern jahrelang in Forschungscamps auf abgelegenen Welten aus, um die Sitten und Gebräuche von Spezies zu studieren, die sowohl der kommerziellen als auch der militärischen Weltraumforschung als schlicht und ergreifend zu unbedeutend erschienen, um sich näher mit ihnen zu beschäftigen.
Aber inzwischen griffen immer häufiger sowohl das Star Corps of Space Defence als auch die Raumhandelsabteilungen großer Konzerne auf das Wissen des Ordens zurück und ließen sich von Christophorer-Brüdern beraten.
»Für mich wirst du immer Dan bleiben«, meinte Richard. Die graubraune Kutte, die sein Bruder jetzt trug, war für ihn gewöhnungsbedürftig.
Zwar gab es auch an Bord der STERNENFAUST, dem Leichten Kreuzer, den Richard Leslie kommandierte, mit Bruder Patrick einen Christophorer-Berater, aber seinen Bruder in dieser Kleidung zu sehen, war doch etwas anderes. Er folgt einer bestimmten Idee, einem Plan, den er sich für sein Leben zurechtgelegt hat. Genau wie ich, nur unterscheiden sich unsere Pläne gewaltig. Es ist nichts dagegen einzuwenden. Das Problem ist nur, dass unsere Eltern wohl ganz andere Absichten für uns hatten …
Vielleicht war dies der tiefere Grund dafür, dass Commander Richard J. Leslie stets ein gewisses Unbehagen empfand, wenn er die lichten Hallen des Darel-Leslie in Tanger betrat – einem Ort, den er früher einmal als seine Heimat bezeichnet hatte.
Eric Leslie war als junger Mann nach Tanger gezogen, weil er dort günstig Grund und Boden für die Hangarhallen seiner Raumboote erwerben konnte, mit denen er eine Frachtlinie aufbauen wollte. Das Geschäft war gut angelaufen. Zunächst hatte Leslie Ltd. lediglich innerhalb des Sonnensystems operiert. Die Versorgung der Prospektorensiedlungen auf den planetengroßen Objekten des Kuiper-Gürtels wie Sedna oder Quor war ein einträgliches Geschäft gewesen und hatte es Eric Leslie schließlich ermöglicht, eine Sirius-Linie einzurichten, die auch heute noch das wichtigste Standbein der Firma darstellte.
Zwischenzeitlich hatte Eric Leslie eine junge Frau kennen und lieben gelernt: Jarmila Delarondou. Sie gehörte der traditionsbewussten arabischen Minderheit in Tanger an. Als Jarmila Leslie wurde sie die Mutter dreier Söhne: Richard, Dan und Eric Junior, der von allen oft nur »Nummer Zwei« genannt wurde, da er offiziell als Eric Leslie II eingetragen war. Altersmäßig lag Eric II zwischen dem zweiunddreißigjährigen Richard und dem fünfundzwanzigjährigen Dan.
Der Kontakt zu Eric II war allerdings seit Jahren abgebrochen. Er hatte Biochemie und Genetik auf Genet studiert und war anschließend in die Dienste des TR-Tec-Konzerns getreten, von dem seit langem bekannt war, dass er die strengen Gentechnik-Gesetze der Solaren Welten zu unterlaufen versuchte.
TR-Tec unterhielt auf durch Firmenkosten erschlossenen Welten geheime Labors. Ganze Forscher-Städte waren
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