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Vorstoß ins Niemandsland

Vorstoß ins Niemandsland

Titel: Vorstoß ins Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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dass nichts gebrochen war.
    Sun-Tarin schaltete das Ortungsgerät ein. Es funktionierte zum Glück noch. Er bestimmte seine gegenwärtige Position. Eigentlich hatte der Tanjaj gehofft, durch seinen Flug seinem Ziel wenigstens ein Stück näher gekommen zu sein.
    Aber das Gegenteil war der Fall. Er war weiter vom Beiboot entfernt als je zuvor.
    Allmächtiger, warum musst du mich dieser Prüfung unterziehen? Habe ich nicht die Tiefe meines Glaubens oft genug bewiesen? Brauchst du mich nicht noch zur Errichtung der Göttlichen Ordnung und als treuen Diener deines Stellvertreters?
    Die Luft drang eiskalt in die Lungen des Kridan. So kalt, dass es schmerzte. Ihm wurde auf einmal bewusst, dass dieser Schleuderflug in die falsche Richtung beileibe nicht sein einziges Problem war.
    Die Thermokleidung! Sie ist defekt!
    Die Heizfunktion war offenbar deaktiviert. Mochte es nun an den elektrischen Schlägen oder der ätzenden Flüssigkeit liegen, die das Innenleben des Gewebes zerstört hatte – für Sun-Tarins Überlebenschancen hatte das keine Bedeutung. Ohne Thermokleidung und ohne ein funktionierendes Antigravaggregat standen seine Überlebenschancen bei null.
    Bis der Sturm abgeflaut war und seine Tanjaj-Brüder ihn anpeilen und retten konnten, war von ihm wahrscheinlich nichts weiter als ein Eisklotz geblieben. Wenn nicht zwischendurch die Vielbeiner meiner Spur folgen und mich in einen unscheinbaren Kalkrückstand verwandeln!
    Sun-Tarin sandte eine der üblichen Gebetsformeln an jenes höchste Wesen, in dessen Auftrag er zu handeln glaubte. Er wiederholte es immer wieder, einem Mantra gleich. Tanjaj lernten dies während ihrer Konditionierung. Der Erhaltung der psychischen Stabilität in Krisensituationen wurde in der Tanjaj-Ausbildung allerhöchste Priorität eingeräumt.
    Die Kälte drang nun zunehmend in seine Thermokleidung hinein. Ich werde mich bewegen müssen! Sonst bin ich in Kürze tot.
    Er überlegte, seinen Nom-Tanjaj zu verständigen, entschied sich aber dagegen. Was hätte es gebracht, Bras-Kon gegenüber einen Bericht abzugeben, der nichts anderes als die eigene verzweifelte Lage beinhaltete?
    Seine Tanjaj-Brüder hatten keine Möglichkeit, ihn zu retten, solange der Sturm mit gleicher Stärke fortdauerte. Warum hätte er sie mit seiner Verzweiflung belasten sollen?
    Der einzige Grund, den es in seiner jetzigen Lage hätte geben können, wäre, seinen Tanjaj-Brüdern irgendeine wichtige, neue Erkenntnis über diesen Eisplaneten zu vermitteln oder sie vor einer Gefahr warnen zu können.
    Aber das war nicht der Fall.
    Die Gefahr durch die Vielbeiner war Bras-Kon und seinen Tanjaj bekannt, und Sun-Tarin hoffte nur, dass sie sich darauf eingestellt hatten.
    Die Gedanken rasten jetzt nur so durch sein Hirn. Alles Mögliche mischte sich in einem bunten Kaleidoskop aus teils wirren Gedanken.
    Selbst der Gedanke an den sanft geschwungenen Schnabel der hübschen Eierlegerin Anré-Sé war darunter, in die er sich so unglücklich verliebt hatte.
    Ich bin tot! Tot, ohne mit einer Eierlegerin eine Brut geteilt zu haben, tot, ohne jemals mehr unter den Tanjaj gewesen zu sein als Rekrut …
    Sun-Tarin versuchte, diese deprimierenden Gedanken so gut es ging zu verscheuchen.
    In geduckter Haltung kämpfte er gegen den Wind an, wurde manchmal von ihm getrieben, taumelte vorwärts, fiel zu Boden und rappelte sich wieder auf. Den Schmerz in seinem Bein versuchte er zu ignorieren, was ihm mit zunehmender Kälte immer leichter fiel.
    Das Antigrav-Pak ließ er zurück. Es war jetzt nur noch eine unnütze Belastung.
    Sun-Tarin spürte, wie langsam die Kraft aus ihm wich. Seinen rechten Krallenfuß spürte er schon gar nicht mehr. Die Kälte durchdrang nach und nach alles und ließ ihn bis ins Mark frieren. Er zitterte.
    Ich bin bereit , dachte er irgendwann, als er schon glaubte, langsam den klaren Verstand zu verlieren und in den Tod hinüberzudämmern. Ich bin bereit, mich dem Gericht zu stellen.
    Er sank zu Boden.
    Die nach hinten geknickten Knie berührten den Schnee.
    Welchen Sinn hatte es noch, sich wieder aufzurappeln? Waren die verbleibenden Kräfte nicht sehr viel sinnvoller in ein Gebet investiert? Aber die Religion der Kridan verbot den Selbstmord. Und war ein vorzeitiges Aufgeben nicht auch eine Art von Selbstmord?
    Also kroch er vorwärts. Die Kraft, sich auf die Beine zu stellen und gegen den Wind zu behaupten, hatte er nicht mehr.
    Das Gefühl für Zeit ging vollkommen verloren. Die Kälte tötete nach und nach jede

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