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Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Titel: Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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wurde mit zunehmender Entfernung größer. Nun hatte sie niemanden mehr, der sie liebevoll tröstete. Ihr blieb nichts außer der Brutalität ihres Mannes.
    Stundenlang stapften sie mühsam voran. Nach und nach breitete Wolkenmutter ein lebhaftes, holzkohlengraues Tuch über ihnen aus. Anfangs zerrte Windfrau fast zärtlich an ihren Kleidern, doch als Sonnenvater den halben Weg über den südlichen Himmel zurückgelegt hatte, begannen heulende Böen auf sie einzuschlagen. Der Sturm blies eisige Schneepartikel von den Schneewächten herunter, die wie winzige Knochensplitter ihr Gesicht spickten.
    Innerlich brannte sie vor Haß. Unentwegt wanderten ihre Gedanken von Der im Licht läuft zu Krähenrufer. Er besaß Macht über ihre Seele.
    Ich beschütze dich. In ihrer Verzweiflung hielt sie nur noch Lichts Versprechen aufrecht.
    Ihre zarten Brüste schmerzten unerträglich. Krähenrufer hatte ihr fürchterliche Quetschungen und Blutergüsse zugefügt. Der Gedanke an die Berührung seines Fleisches mit dem ihren verursachte ihr Brechreiz.
    Der alte Schamane an der Spitze der Prozession stemmte sich mit aller Kraft gegen den Wind. Er räusperte sich häufig und spuckte Schleim aus.
    »Ich kann es nicht,« flüsterte sie.
    Ihre Seele schrie auf. »Ich kann nicht bei dir bleiben, alter Mann. Ich kann den Gedanken an deinen ekelhaften Mund, der sich auf meinen preßt, nicht ertragen. Ich ertrage den Gedanken an dein welkes Fleisch nicht, das sich an meinem reibt. Lieber möchte ich sterben.«
    Sie blickte sich um. Die Last ihres Leids lag schwer wie ein Felsbrocken auf ihrem Herzen.
    Nachdenklich biß sie sich auf die Unterlippe.
    Der tobende Sturm trieb die scharfen Kristalle vor sich her und hüllte die Landschaft ein, doch sie marschierten ohne Rast weiter. Inmitten der Hochebene verlangsamte Tanzende Füchsin den Schritt und reihte sich am Ende des Zuges ein. Sie trat aus der Reihe und hockte sich hin, als müsse sie sich erleichtern. Ihr Herz hämmerte entsetzlich. Schamhaft wandten die Leute die Augen von der hockenden Gestalt ab.
    Im Schneegestöber kauerte sie sich zusammen, ihre Knie zitterten. Der Sturm ließ den Zug der sich entfernenden Menschen bald einem schlangenartig gleitenden, aschgrauen Band gleich im Schnee verschwinden. Nur die schon leicht verwehten Spuren zeugten noch von ihrer Anwesenheit.
    Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und lief in den Windschatten einer Schneewehe. Dort verschnaufte sie kurz. Sie mußte schnellstens weiter. Ängstliche Blicke über die Schulter werfend, hastete sie über den vereisten Kamm der Schneewehe. Suchten sie bereits nach ihr?
    Schaudernd hob sie ihr Gesicht dem wütenden Sturm entgegen und betete: »Bitte, Windfrau, bedecke meine Spur. Ich muß fort. Ich habe keine andere Wahl.«
    Undeutlich, als trüge der Wind seinen Geist zu ihr, hörte sie Krähenrufers Stimme. Bruchstücke seiner über sie verhängten Flüche drangen an ihr Ohr. Ein Wort wiederholte sich laut und deutlich: »Tod… Tod.«
    Entschlossen stolperte sie weiter. Ungeachtet ihrer stechenden Lungen lief sie, so schnell sie konnte.
    Sie gelangte auf einen weiteren Grat und eilte auf dem schmalen Bergkamm entlang. Hinter jeder Felserhebung versteckte sie sich und lauschte. Sie lief immer weiter. In ihrer Erschöpfung konnte sie bald auf nichts anderes mehr achten als auf die ungefähre Richtung.
    »Wolf?« flüsterte sie hinauf zum grauverhangenen Himmel. »Wolf, du besitzt große Macht. Beschütze mich.«
    Auch im tobenden Sturm mußte es ihr gelingen, den Markierungen zu folgen, die Der im Licht läuft für sie ausgelegt hatte. Die Erinnerung an seine freundlichen Augen und seine zärtlichen Berührungen trösteten sie.
    Sie rutschte vom Grat herunter. Ihr langes Haar tanzte vor ihren Augen. Sie wischte die Strähnen beiseite und starrte auf eine unheimliche Eisformation, an der sie vorbei mußte. Die Form des Eises erinnerte sie an mehrere hintereinander stapfende Mammuts. Im Schneegestöber bildete sie sich, einen Blick auf das alte Mammut-Lager zu erhaschen.
    »Kann ich in so kurzer Zeit schon so weit gekommen sein?« fragte sie sich überrascht. Stirnrunzelnd überlegte sie. Es kam ihr unwahrscheinlich vor, aber inmitten eines Sturmes schien die Zeit stets stillzustehen. Vielleicht war sie bereits viele Stunden unterwegs. Prüfend betrachtete sie eine vor ihr aufragende Eiswand. Hin und wieder entdeckte sie blauschimmernde Höhlen und sich wellenförmig hinziehende Dämme. Der Schneefall nahm zu und

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