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Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Titel: Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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zu entgehen, die ihr folgten. Ihre ausdruckslose Miene verriet nicht, was in ihrem Kopf vorging. Im Gänsemarsch kletterten sie auf den windumtosten Grat hinauf, erschöpfte Menschen, die nicht wußten, was die Zukunft bringen würde. Zerlumpt, hungrig, in viel zu dünner Kleidung aus zerschlissenen Karibufellen, begannen sie ihre Wanderung durch den eisigen Wind.
    Einige blickten über die Schulter zurück. Mit Unbehagen sahen sie die Gruppe von Der im Licht läuft in der Ferne verschwinden.
    Auch Tanzende Füchsin warf einen letzten Blick auf das Mammut-Lager. An diesem Ort hatte sich für sie die Welt verändert. Alle ihre Gefühle waren erstarrt, seit man sie Krähenrufer zur Frau gegeben hatte. Wie ein wertloses altes Karibufell hatte ihr Vater sie Krähenrufer als Gegenleistung für dessen Dienste vor die Füße geworfen. Beim Tod ihres Vaters hatte sie nicht getrauert.
    So viele ihrer Hoffnungen und Träume wurden in diesen vom Schnee bedeckten braunen Mammutfellbehausungen zerstört. Nun ging sie fort, verheiratet. Sie gehörte Krähenrufer, der jede Nacht auf sie kroch, mit Gewalt ihre Beine auseinanderpreßte, zustieß und dann erschlaffte. Jedesmal dankte sie dem Volk der Sterne, daß alles so schnell ging. Bei dem Gedanken an den ihr widerwärtigen alten Mann stieg ihr brennende Schamröte in die Wangen.
    Das verlassene Mammut-Lager würde langsam dem Erdboden gleich werden, die Behausungen verrotten, die hinterlassenen Knochen während der Langen Helligkeit austrocknen. Die Ausscheidungen der Menschen dienten Käfern und anderen Insekten als Nahrung. Die Körper der Toten, deren Seelen oben am Himmel leuchteten, würden nicht nur von Insekten, sondern auch von Krähen und Möwen gefressen. Vielleicht kaute sogar ein zufällig vorbeikommender Wolf ein paar Bissen. In den ausgehöhlten Skeletten tummelten sich Mäuse. Ein Teil des zurückgelassenen Abfalls würde weggespült werden, der Rest sich langsam auflösen. Nichts würde bleiben als Bültgras, Seggen und Wermut.
    »Einzig meine Qual wird ewig dauern«, flüsterte sie.
    Bei jedem ihrer mühseligen Schritte durchzuckte sie sengender Schmerz. Um zu vermeiden, daß die Stellen, an denen ihr Mann sie gestern verletzt hatte, sich durch Scheuern entzündeten, versuchte sie, möglichst weit auszuschreiten. Die Bißwunden auf ihren Brüsten peinigten sie fast unerträglich, denn dort rieben die Karibuhäute besonders stark.
    Vor sich sah sie Krähenrufers straffen Rücken. Er marschierte an der Spitze. Für einen Augenblick vergaß sie ihren Kummer, so sehr ergriff der Haß Besitz von ihr. Du willst, daß ich an dich denke, alter Mann? Ja, ich denke an dich. Sie gab sich ganz ihrem Haß hin und vergaß darüber alles andere.
    Ihre Schmerzen lösten sich in nichts auf. Ich hasse dich, sang sie lautlos.
    Nach stundenlangem Wandern kamen sie an einen steilen felsigen Bergkamm, den sie nur kriechend bewältigen konnten. Keuchend hielt Tanzende Füchsin einen Augenblick inne. Sie richtete sich auf und schaute über das Land. Sonnenvater stand tief am weit entfernten Horizont und schickte einzelne Strahlen herunter, deren Licht die unendliche weiße Leere mit unregelmäßigen Mustern sprenkelte.
    »Weiter«, befahl Krähenrufer und zog sie am Arm.
    Seufzend kämpfte sie sich über schlüpfrige Felsen auf eine Hochebene hinunter. Mächtige Felsausläufer durchschnitten die große Fläche, deren Weite auch von gewaltigen Findlingen und riesigen Schneewehen unterbrochen wurde. Das Sonnenlicht wurde unbarmherzig vom Schnee reflektiert und machte sie fast blind. Sie suchte in ihrer Rückentrage nach dem ledernen Blendschutz.
    Erleichtert wickelte sie die schützende Schlitzbrille um den Kopf.
    Rabenjäger wanderte weit voraus. Sein schwarzer Schatten inmitten der weißen Fläche erinnerte an eine Fliege auf einer Fettmasse. Er bestieg jede Schneewehe und hielt Ausschau nach Mammuts oder Großvater Eisbär. Zwar hatte Gebrochener Zweig sie eindringlich davor gewarnt, die Bärenhunde totzuschlagen, aber der Hunger hatte über die Vernunft gesiegt. Ohne die Hunde, die sie stets rechtzeitig vor Gefahr gewarnt hatten, mußten sie ständig mit einem Überfall irgendwelcher räuberischer Lebewesen rechnen. In dieser von bitterem Hunger geprägten Langen Finsternis würde ein hungriger Bär sogar eine größere Gruppe von Menschen angreifen.
    Ein tiefer Schmerz schnitt in Tanzende Füchsins Herz und wurde mit jedem Schritt qualvoller. Ihre Sehnsucht nach Der im Licht läuft

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