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Vorzeitsaga 02 - Das Volk des Feuers

Vorzeitsaga 02 - Das Volk des Feuers

Titel: Vorzeitsaga 02 - Das Volk des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Warum war ihm damals nicht die wunderbare Tönung ihrer Haut aufgefallen, der geheimnisvolle Schimmer ihres Haars im Licht oder die magische Tiefe ihrer Augen? Jetzt fesselte ihn jede ihrer Bewegungen fast bis an die Schmerzgrenze. Sosehr er sich auch bemühte, seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zuzuwenden, er konnte sich nicht dagegen wehren. Immer wieder schlich er um sie herum, warf ihr verstohlene Blicke zu und hoffte, sie würde ihn anlächeln oder mit ihm sprechen.
    Im Moment war das Mädchen völlig in die Betrachtung der auf die Höhlenwand gemeißelten Spirale versunken. Weißes Kalb hatte die Linien mit aus zermahlenen Springkrautblüten gewonnenem Gelb nachgemalt.
    Reizende Wapiti streckte die Hand aus und fuhr die Linien nach. Ihre Finger verweilten auf dem Stein, bis sie einen Blick von Weißes Kalb auffing. »Auf der Nordseite der Berge gibt es eine Menge solcher in die Felsen gehauener Spiralen. Ich erinnere mich genau daran.
    Damals war ich noch ein kleines Mädchen. Wir lagerten dort, weil wir eine Zusammenkunft mit dem Weißen-Kranich-Volk vereinbart hatten. Ich glaube, die Leute trieben dort Handel.«
    Weißes Kalb nickte. Sie erschien auf einmal auffallend reserviert.
    Ihr raubvogelartiger Blick huschte zwischen ihm und dem Mädchen hin und her. Er haßte diesen umflorten, verschleierten Blick. Das hatte nie etwas Gutes zu bedeuten. Ihm schwanten Unannehmlichkeiten.
    Was hatte er jetzt schon wieder angestellt?
    War er wieder schuld, daß ihre verschrobene Seele derart aufgewühlt war?
    So klärend wie die Morgenbrise den Schleier des schwer über der Höhle hängenden Rauches lüftete, so bewußt wurde Kleiner Tänzer mit einem Mal, daß es nicht um ihn, sondern um Reizende Wapiti ging. Weißes Kalb wollte Reizende Wapiti nicht um sich haben.
    Lebhaft richtete er sich auf. Warum? Was war mit dem Mädchen?
    »Was weißt du über die Spirale?« erkundigte sich Weißes Kalb und wandte ihre Aufmerksamkeit erneut dem Mädchen zu.
    »Nur daß sie große Macht besitzt. Sie ist alt, nicht wahr? Ein Zeichen aus der Zeit der Monsterkinder und der Heldenzwillinge?«
    Weißes Kalb lächelte versonnen, als sie zu der Felszeichnung blickte. »Ja, Kind, sie ist alt. Die Spirale ist so alt wie der Erste Mann. Zu Anfang erschuf der Große Weise im Himmel die Welt, dann die Tiere und die Menschen. Eine lange Zeit ging alles gut. Dann, wie es immer geschieht, geriet die Schöpfung in Unordnung. Die Menschen könnten daran schuld gewesen sein.
    Vielleicht waren es auch die Tiere. Wie dem auch sei, auf jeden Fall teilte sich das Große Eine der Schöpfung und fiel auseinander. Alles wandte sich plötzlich in verschiedene Richtungen. Die Menschen gelangten zu der Überzeugung, sie seien die wichtigsten Wesen der Ersten Welt und dankten Tieren und Pflanzen nicht mehr, die sich ihnen freiwillig als Nahrung geschenkt hatten. Die Tiere begannen zu glauben, sie seien das Wichtigste und ließen die Menschen hungern. Sie weigerten sich, sich töten zu lassen. Wie ein Hornstein mit einer Luftblase, auf den mit einem Hammerstein eingeschlagen wird, zersplitterte die Schöpfung in alle Richtungen. Nichts paßte mehr zusammen.«
    Reizende Wapitis Augen leuchteten. Hingerissen blickte sie auf die Spirale.
    Kleiner Tänzer beobachtete gespannt ihre Hände, die den Umriß des gemeißelten Bildwerks nachzeichneten. Ein merkwürdig alarmierendes Gefühl ergriff von ihm Besitz.
    »Als der Große Weise im Himmel das Ausmaß dieses Verdrusses sah, empfand er nur noch Widerwillen«, fuhr Weißes Kalb fort. »Er schuf sich eine eigene neue Welt. Er verwandelte sich in die Listige Spinne und wob das Sternennetz - die Zweite Welt. Er bestimmte, daß Menschen, um kein Durcheinander verursachen zu können, mit ihrem physischen Körper nicht in diese Welt hineindurften. Aber er hatte einen Fehler gemacht. Schon bald nachdem er die Zweite Welt vollendet hatte, begannen die Seelen der verstorbenen Menschen emporzusteigen und das Sternennetz zu bevölkern. Aus ihnen wurden die Sterne, die wir heute am Himmel sehen.«
    »Aber das änderte nichts an dem Ärger auf der Ersten Welt. Dafür mußte das Sternennetz zu viele Seelen beherbergen. Das stimmt doch?«
    Reizende Wapiti warf einen gespannten Blick auf Weißes Kalb. Sie hing förmlich an den Lippen der alten Frau.
    Das offenkundige Interesse des Mädchens siegte über Weißes Kalbs Mißtrauen. Begeistert stürzte sie sich in die Geschichte, ihre alten Augen blitzten munter. »Ja, auf der Ersten

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