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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Der Junge ging weiter zu Dachsschwanz, der den Kelch mit beiden Händen entgegennahm und die Gravuren darauf bewunderte: miteinander kreuzförmig verbundene Klapperschlangen, deren Schwänze sich im rechten Winkel nach links krümmten. Dachsschwanz trank das bittere schwarze Gebräu. Dann gab er dem Jugendlichen den Kelch zurück, und dieser reichte ihn Nachtschatten. Geistesabwesend nahm sie die Trinkmuschel entgegen, nippte zuerst zögernd, dann trank sie mit fester Entschlossenheit, und ihre Augen erstrahlten. Dankbar gab sie das Gefäß dem jungen Mann, und nachdem alle anderen ebenfalls getrunken hatten, entfernte sich dieser.
    Den Regeln der Zeremonie gehorchend, kniete Dachsschwanz vor dem Piedestal nieder. »Heiliger Tharon, Häuptling Große Sonne, wir sind im Triumph zurückgekehrt. Während wir hier sprechen, wird dein Tribut entladen.« Behutsam legte er Jenos' Kopf auf den Altarsockel zu Tharons Füßen. »Ich bringe dir den Kopf deines .verfluchten Feindes' - so, wie du verlangt hast.«
    »Tatsächlich?« Tharon leckte sich nervös die Lippen, als ergreife ihn plötzlich Furcht. Er spielte mit seinem neuen Halsband. »Ich bin überrascht. Ich dachte - nun, ich hatte nicht geglaubt, daß mein Cousin den Mut aufbringen würde, sich dir zu widersetzen.« Unruhig wedelte er mit der Hand.
    »Wickel ihn aus.«
    Dachsschwanz band die Enden des goldenen Tuches auf, schlug den von getrocknetem Blut steif gewordenen Stoff zurück und enthüllte Jenos' Kopf. Die harten Falten des Stoffes hatten sein Gesicht scheußlich entstellt.
    Voller Abscheu schürzte Tharon die schmalen Lippen. »Dieser Narr. Er hätte es besser wissen müssen, als sich gegen mich zu stellen. Ist er anständig gestorben?«
    »Er starb als tapferer Mann.«
    »Hast du seinen Sohn - wie heißt er doch gleich? - gezwungen, zuzusehen?«
    »Petaga. Ja.«
    »Nun, Jenos hat es nicht anders verdient. Er hätte sich meinen Befehlen nicht widersetzen dürfen.«
    Tharon nickte heftig. »Gut, jetzt wird der Junge gehorchen wie alle anderen auch. Nicht wahr, Dachsschwanz?«
    »Ja, mein Häuptling.«
    Mit wehendem Adlerfedernumhang verließ Tharon das Piedestal und wandte sich bösartig grinsend Nachtschatten zu, die wie betäubt und ohne zu blinzeln auf Jenos' rumpflosen Kopf starrte.
    »Jetzt«, sagte Tharon mit schneidender Stimme, »gehörst du wieder mir, Nachtschatten, und ich kann nach Belieben mit dir umspringen.«
    Einen Augenblick herrschte Stille. Dann brach ein tiefes, kehliges Lachen aus ihr heraus.
    Dachsschwanz warf ihr einen warnenden Blick zu, doch sie lachte nur noch lauter. Ihre zügellose Heiterkeit schnitt durch die totale Stille. Sogar die ständig wimmernde Orenda verstummte vor Schreck.
    »Du warst es nicht, der mich zurückgeholt hat, Tharon, mögen deine Launen auch der Grund für mein Hiersein sind«, erwiderte sie nach einer Weile ruhig. »Du hast also den alten Murmeltier umgebracht.
    Was -«
    »Lügnerin! Wie kannst du es wagen, mir so etwas zu unterstellen?« fuhr er sie an. Sein Blick huschte zu den Sternengeborenen hinüber. Unschlüssig drängten sie sich enger um Orenda zusammen und flüsterten miteinander.
    Mit geschmeidigen Bewegungen schritt Nachtschatten zum Altar. Ihr schmutziges rotes Kleid klebte an ihrem wohlgeformten Körper wie eine zweite Haut. »Es war keine .Unterstellung', denn ich bezweifle sehr, daß Murmeltiers Machtbündel mich belügen würde. Schließlich befand es sich in seinem Zimmer, als er mit letzter Kraft hineintaumelte, nachdem du ihn vergiftet hast.«
    Dachsschwanz erhob sich ruckartig. Fast wäre er über seine eigenen Füße gestolpert. Er mußte sich am Altar festhalten, um nicht hinzufallen. Nachtschattens Auftreten hatte sich dramatisch verändert. War das dieselbe Frau, die noch vor kurzem schluchzend wie ein kleines Kind Trost gesucht hatte? Nun ging eine ungeheure Macht von ihr aus, beseelte ihre tiefe Stimme und drückte sich in ihren fließenden, sinnlichen Bewegungen aus. War dies eines der anderen Gesichter von Schwester Datura? Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Mit einem gespenstischen Leuchten in den Augen zischte sie: »Was hat Murmeltier entdeckt, Tharon? Was hast du getan? Womit hast du die Götter so verärgert, daß sie uns im Stich gelassen haben?«
    Tharon lehnte am heiligen Piedestal. Er hob seinen Herrscherstab, als wolle er damit zuschlagen, doch er ließ die Hand wieder sinken. Lange stand er reglos da und sah sie nur an. Dann sagte er: »Weißt du, daß der alte

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