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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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zusammen und wandte sich halb um. »Was denn?«
    »Daß du nicht weggegangen bist, als du noch die Möglichkeit dazu hattest.« Sie ließ die Türbehänge fallen und verschwand in der Dunkelheit ihres Zimmers.
    Dachsschwanz stützte sich mit der Hand an die Zedernwand, wehmütige Erinnerungen an seinen Bruder überschwemmten ihn. Leise flüsterte er: »Sag Rotluchs, es tut mir leid.«
    Rücksichtslos drängte sich Grüne Esche durch die Menschenmenge und rief: »Tante! Tante, was ist denn?« Die Schwangerschaft schränkte ihre Beweglichkeit erheblich ein. »Aus dem Weg«, schrie sie einen großen Mann an, der ihr im Weg stand. »Laß mich bitte durch.« Mit den Schultern stieß Grüne Esche gegen ihn und schob sich weiter. In der kühler werdenden Luft der hereinbrechenden Nacht bildete ihr Atem kleine Wolken. An- und abschwellendes Stimmengewirr umwogte sie. Die Leute unterhielten sich über die heutigen Geschehnisse.
    Grüne Esche zwängte sich durch ein Menschenknäuel und umrundete ein Haus. Dabei achtete sie sorgfältig darauf, nicht in die frisch aufgehäufelten Furchen eines kleinen, neu angelegten Gartens zu treten. Endlich entdeckte sie vor sich ihre Tante.
    Mit einem unheimlichen, atemlosen Jammern lief Winterbeere im blauvioletten Dämmerlicht zwischen den Menschen hindurch. Die Leute öffneten eine kleine Gasse für sie, beachteten sie aber nicht weiter. Aller Augen waren auf Dachsschwanz' Krieger gerichtet, die vor den Palisaden herumlungerten und sich hochmütig ihrer Heldentaten bei den Fluß-Hügeln brüsteten.
    Grüne Esche folgte ihrer Tante um eine Wand aus Stroh herum. Winterbeere, deren graue Haare zerzaust das runzlige Gesicht einrahmten, ließ sich auf die Knie sinken und kroch durch die niedrige Tür in ihr Haus.
    » Tante!«
    Schützend legte Grüne Esche eine Hand auf ihren gewölbten Bauch und krabbelte hinter Winterbeere hinein. Das Haus bestand aus einem zwanzig mal fünfzehn Hand großen Zimmer. Im Innern zeugten heilige Göttermasken mit funkelnden Einlegearbeiten aus Kupfer und Muscheln von Winterbeeres Stellung als mächtige und respektierte Führerin des Blaudecken-Stammes. Eine Leiter führte an der linken Wand zu einem kleinen Podest hinauf, das ihr als Bett diente. Dicht unterhalb des Daches sorgte ein schmaler Schlitz für einen Luftzug, der den Rauch des Feuers von der Schlafstätte fernhielt.
    Grüne Esche blinzelte in die fast völlige Dunkelheit und erspähte Winterbeere hinten an der Wand.
    Die alte Frau hatte sich auf einem Haufen Decken zusammengekauert und eine rot, blau und braun gestreifte Decke vor das Gesicht gezogen. Heftig zitternd saß sie da und lugte nur mit einem Auge dahinter hervor.
    Grüne Esche streckte die Hand aus. »Tante! Fehlt dir etwas?«
    Kaum hörbar flüsterte Winterbeere: »Sie ist zurück.«
    »Falls sie es überhaupt war.«
    »Das Böse - das Böse begleitet sie. Hast du es nicht gefühlt?«
    »Und wenn es Nachtschatten war, was macht es «
    »Was es macht?« schrie Winterbeere, und die Decke glitt ihr auf die Schultern herab. »Sie hat meine ganze Familie umgebracht! Mein armer kleiner Hopfenblatt. Oh, Hopfenblatt…« Winterbeere brach in ersticktes Schluchzen aus.
    Grüne Esche ballte die Fäuste. Damals war sie noch nicht geboren, aber sie kannte die alten Geschichten. Wie der Große Gizis Winterbeere - schon damals eine respektierte und angesehene Frau - dazu auserwählt hatte, Nachtschatten in der Lebensart ihres neuen Volkes zu unterweisen.
    Winterbeere widmete sich dieser Aufgabe noch nicht einmal zwei Monde, da kam ihr Mann bei einem Jagdunfall ums Leben. Im selben Zyklus starben alle ihre drei Kinder nacheinander an einem merkwürdigen Fieber. Das hatte Winterbeeres Seele zerrüttet. Sie war nie mehr dieselbe gewesen wie zuvor.
    »Oh, meine Nichte, meine Nichte. Sie war gefesselt und von Wachen umgeben. Sie ist nicht aus freiem Willen zurückgekommen. Wir sind verdammt! Es wird keinen Regen geben. Das Getreide auf den Feldern wird verdorren!«
    Grüne Esche tastete mit der Hand zu ihr hinüber und berührte liebevoll Winterbeeres Knie. »Nein, bestimmt nicht, Tante. Du weißt, die Erste Frau beschützt uns. Sie -«
    »Nachtschatten ist mächtiger als die Erste Frau. Sie wird Leichenpulver auf uns streuen und uns alle töten! Sie ist eine Hexe«, zischte Winterbeere. »Eine Hexe! Warte nur ab. Du wirst schon sehen.«

KAPITEL 7
    Keuchend kroch Flechte den kiesigen Felshang hinauf, der Redweed Village halbkreisförmig umschloß.

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