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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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noch mit einer Hacke mit Muschelschalenspitze verrichten können - inzwischen ging das nicht mehr. Kein Tropfen Regen war gefallen. Vor ihren Augen hatte sich die fruchtbare Erde in harten Schlammstein verwandelt. Jeder Hieb mit der Hacke erzeugte ein klirrendes Geräusch, so unheilvoll, als würden Erdklumpen in ein Grab geschaufelt.
    Winterbeere arbeitete zwanzig Hand von ihr entfernt und hieb ihre Hacke in den Boden, als übe sie Vergeltung. Ihr alter Rücken schien sich in den letzten Wochen stark gekrümmt zu haben. Das schweißnaß an ihrem Kopf klebende graue Haar betonte ihre Knollennase und den vorstehenden, zahnlosen Unterkiefer. Seit Nachtschattens Ankunft wirkte Winterbeere so unnatürlich ruhig, als warte sie geduldig auf das Ende der Welt.
    Über der Klippe im Westen baute sich eine Gewitterfront auf; Wolken türmten sich übereinander und formten riesige schillernde Gebilde. »Sieh mal, Tante«, rief Grüne Esche freudig erregt und hob den Arm. Primel blickte neugierig auf. »Vielleicht regnet es doch noch.« Sie lachte übermütig und hoffte, Winterbeere aus ihrer Trübsal zu reißen.
    Die alte Frau schleuderte ihre Hacke unter Aufbietung all ihrer schwachen Kräfte zu Boden. »Nein«, entgegnete sie knapp, »bestimmt nicht.«
    Primels jungenhaftes Gesicht verzog sich wie unter Schmerzen, dann warf er Grüne Esche rasch einen tröstenden Blick zu und arbeitete weiter. Seine kräftigen Muskeln spannten eindrucksvoll sein blau-gelb gemustertes Kleid.
    Entmutigt schaute Grüne Esche zu den Wolken hinauf und betete, Donnervogel möge dafür sorgen, daß Winterbeere nicht recht behielt. Sie holte tief Luft und machte sich erneut über das Unkraut her.

KAPITEL 12
    Die Morgendämmerung sickerte durch die Fenstervorhänge von Tharons Zimmer und tauchte das neben ihm auf dem Bettpodest liegende Schildkrötenbündel in graues Licht. Tharon hatte es in der Nacht zuvor dort hingelegt, weil er neugierig war, ob es Einfluß auf seine Träume nehmen würde.
    Doch nichts war geschehen. Er blickte das Bündel geringschätzig an. Die Spiralen an den Rändern der Hülle waren so stark verblichen, daß Tharon sie kaum noch erkennen konnte. Aber das Auge inmitten der roten Hand war prüfend auf ihn gerichtet, als sei es lebendig.
    Er hatte beschlossen, das Bündel Nachtschatten zu bringen, vielleicht gewänne es dann wieder an Macht.
    Tharon nahm das Bündel und bückte sich unter den Türvorhängen hindurch. Seine Schritte hallten laut durch die Stille. Von irgendwoher hörte er den leiernden Singsang einer Priesterin, die vor Sonnenaufgang ihre Morgengebete verrichtete. Eingehüllt vom würzigen Duft des Hickoryöls ging er durch das Sonnenzimmer und wandte sich nach links in den zu Nachtschattens Zimmer führenden Flur.
    Tharon preßte das Schildkrötenbündel an seine Brust, holte tief Luft und schlüpfte geräuschlos unter den Türvorhängen in ihr Zimmer. Die Feuerschale in der Mitte des fensterlosen Raumes glimmte nur noch schwach. Er konnte gerade noch eine Reihe bunter Gefäße erkennen, die, bis zum Rand mit Samen und Pflanzen gefüllt, übereinandergestapelt an der rechten Wand standen. Er wußte, was die Gefäße enthielten - lauter Dinge, die Träumer liebten: Purpurwinden, Leinkraut, getrocknete Fingerhutblätter, Mistelbeeren und Schwester Daturas schrumplige schwarze Samen von den Inseln im Großen Salzwasser. Tharon wußte das, weil diese Töpfe einmal Murmeltier gehört hatten. Dieser dreckige alte Kerl hat es nicht verdient, von meinem Reichtum zu profitieren.
    Murmeltiers komplizierte, stark verzweigte Sternenkarte bedeckte die gesamte linke Wand über Nachtschattens Schlafbank. In miteinander verbundenen Kreisen stellten silberne Punkte die Himmelsgötter während jedes Monds im Zyklus dar. Am Fuß des Bettes standen ein Wasserkrug und ein halbvolles Waschbecken. Anscheinend hatte sie vor dem Schlafengehen noch gebadet. Im langsam unter den Türvorhängen hereinkriechenden Licht der Morgendämmerung schimmerten ihre glatte Haut und ihre Haare wie Seide. Er hörte ihren gleichmäßigen Atem. Sie schlief.
    Auf Zehenspitzen schlich er durch das Zimmer und setzte sich mit übereinandergeschlagenen Beinen neben sie. Behutsam legte er das Bündel auf den seidigen Schleier ihrer schwarzen Haare. Sie rührte sich nicht. Grinsend beugte er sich so weit vor, daß er ihren warmen Atem im Gesicht spürte. Am liebsten hätte er vor Begeisterung in die Hände geklatscht! Sie hatte keine Ahnung, daß er an ihrem

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