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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Wanderer. Das Licht hat mich verletzt!«
    »Ich weiß«, sagte er und streichelte ihr übers Haar. »Das war meine Schuld. Ich hätte dich nicht so schnell so weit drängen dürfen. Aber du bist geflogen, Flechte. Einen Moment lang bist du geflogen^
    Lange vor Anbruch der Morgendämmerung hüllten sie sich in schwere Mäntel, wanderten mit der Falle zu dem grauen Buckelfelsen und ließen Vater Sonne frei.
    Wie erstarrt beobachtete Dachsschwanz oben vom Hügel aus den Trauerzug. Feierlich bewegte er sich an den aufgereihten Fackeln vorbei, die den Weg über den sternenbeschienenen Platz markierten.
    Sechs Krieger - drei Männer und drei Frauen - trugen die Sänfte mit dem Leichnam. Sie bewegten sich wie Gespenster von einem Lichthof der Fackeln zum anderen, einen Augenblick lang sichtbar, dann wieder verschlungen von der Nacht. Hinter ihnen gingen Mondsamen und die Angehörigen ihres Stammes. Rotluchs' Dienerschaft, ungefähr zehn meist junge Frauen, folgte. Ihr Wehklagen erhob sich mitleiderregend wie das Wimmern eines Neugeborenen in die Stille der Nacht.
    Dachsschwanz biß die Zähne zusammen. Er versuchte, nicht darüber nachzudenken …
    Als nächste reihten sich achtzehn Angehörige der Sonnengeborenen in den Zug ein. Sie schlugen Trommeln oder schüttelten Kürbisrasseln und schwenkten Gebetsfedern über den Köpfen.
    Nachtschatten führte die Gruppe an. Sie sah ätherisch schön aus. Ihr rotes Kleid war mit Figuren bemalt, deren Farbe aus zerstoßenem Bleiglanz und Öl hergestellt wurde. Die stilisierten Symbole der Schlangen, Kreuze und Hände schimmerten in silbrigem Glanz.
    Den Schluß bildete Tharon in einer mit Vorhängen versehenen Sänfte. Sie wurde von acht kräftigen Dienern getragen, deren mit Hickoryöl eingeriebene Haut golden im Schein der Fackeln glänzte.
    Dachsschwanz wartete auf der Nordseite der mit Stämmen gesicherten Grube. Er vermied es, in das schrecklich funkelnde, gähnende Grab hinunterzublicken. Tharon hatte befohlen, Rotluchs auf einen Teppich aus zwanzigtausend Muschelperlen, Dutzenden glänzender Steine und Pfeilspitzen zu legen.
    Diese Schmuckstücke waren die besten Arbeiten der hervorragendsten Kunsthandwerker - ein Maisbauer hätte zehn Leben gebraucht, um so viel zu verdienen.
    Rotluchs hätte diese Protzerei gehaßt.
    In der Brise glaubte Dachsschwanz die verzweifelt hoffnungslose Stimme von Rotluchs zu hören, die ihm ein letztes Lebewohl zuraunte.
    »Begräbnisse sind barbarisch«, flüsterte Dachsschwanz bitter Heuschrecke zu. »Erlaube nicht, daß sie das mit mir machen, wenn meine Zeit kommt.«
    »Du meinst, Tharons Begräbnisse sind barbarisch«, berichtigte Heuschrecke.
    Die beiden wechselten einen schmerzlichen Blick. Sie hatten ihre schönsten Kriegshemden angezogen.
    Heuschreckes Hemd war aus hellgoldenem Hirschleder genäht. Der kunstvoll eingearbeitete Federschmuck betonte die Rundungen ihrer Brüste und Hüften, in ihren geflochtenen Stirnhaaren glitzerten Kupferperlen. Dachsschwanz' Hemd, aus weißer Elchhaut gefertigt, war von den Knien bis zu den Schultern mit den Bildern grüner Falken, Wölfe und Dachse bedeckt: Raubtiere, die den Kriegern heilig waren. Auch er hatte seine Stirnhaare mit Kupferperlen geschmückt.
    »Ich werde es nicht zulassen, Dachsschwanz. Nicht, wenn ich es verhindern kann«, antwortete Heuschrecke leise. Ihre Augen waren schmal geworden.
    Als die Prozession den Hügel hinaufzusteigen begann, verkrampfte Dachsschwanz die Hände ineinander. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis endlich alle den ihnen gemäßen Platz um das Grab eingenommen hatten, aber schließlich wurde auch Tharons Sänfte auf der Ostseite abgesetzt. Nachtschatten stand auf der Westseite. Alle anderen hatten sich auf der Südseite versammelt.
    Dachsschwanz nahm all seinen Mut zusammen und warf einen Blick auf Rotluchs' geölten und bemalten Körper. Das Gesicht war leuchtend rot bemalt, gelbe Linien kreuzten seine Brust, und schwarze Zickzackstreifen zogen sich über die Beine. Der Leichnam war entstellt. Das von der Hitze während der Aufbahrung im Beinhaus aufgequollene Fleisch blähte sich stellenweise und deformierte seine Gesichtszüge. Er hatte kaum noch Ähnlichkeit mit Rotluchs.
    Die Diener zogen die Vorhänge von Tharons Sänfte zurück. Er war in voller Pracht zu sehen, ganz in Gold gekleidet, mit einem Kopfschmuck aus gehämmertem, im Schein der Fackeln aufblitzendem Kupfer. Er trug eine wundervoll gearbeitete Maske des Langnasigen Gottes - zwar nicht ganz

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