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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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sollte wohl ein Recht haben, mit dir über Klan-Angelegenheiten zu sprechen.«
    »Klebkraut«, erwiderte Melisse, »du weißt so gut wie ich, daß du hier niemals der geistige Führer sein wirst, wenn deine Träume sich nicht öfter bewahrheiten. Aber du hast Rechte als Mitglied dieses Klans. Sprich, ich höre zu.«
    »Es gibt niemanden, dessen Träume immer richtig sind, Melisse. Nicht einmal die des großen Sonnenjägers!«
    Er sprach Sonnenjägers Name auf eine höhnische, herabsetzende Art aus, die Melisse verletzte wie rauher Sandstein eine offene Wunde. »Wann hat Sonnenjäger jemals unrecht gehabt?«
    Klebkraut überging die Frage. »Manchmal fuhren böse Geister Träumer in die Irre. Das ist nicht mein Fehler. Es würde mir nicht so oft passieren, wenn ich nicht ständig träumen würde, um den Weg für unser Volk zu finden.«
    »Nenn mir einen einzigen falschen Traum von Sonnenjäger.«
    Klebkraut befeuchtete nervös die Lippen mit der Zunge und wischte sich die grauen Haarsträhnen aus dem hageren Gesicht. »Melisse, ich weiß, daß du Sonnenjäger magst. Ich bin nicht gekommen, um mit dir über ihn zu streiten. Ich hatte einen Traum, und ich wollte dir davon erzählen. Ich weiß auch, daß du nach Sonnenjäger ausgeschickt hast, um ihn zu fragen, was das Ertrinken der Mammuts bedeutet, aber ich kenne die Bedeutung jetzt schon. Ich habe unter dieser Tanne dort geschlafen …«
    »Was für ein Traum?«
    Dramatisch breitete Klebkraut die Arme aus. »Er kam mit einem entsetzlichen Lärm über mich wie mit den Flügeln des größten der Donnerwesen.«
    »Der Traum, Klebkraut. Was hast du gesehen?«
    »Hör mir endlich einmal zu, dann wirst du ja sehen!« schrie Klebkraut ungehalten. »Mammut-Oben kam zu mir. Sie sagte, daß ihre Kinder sich aus Ärger selbst getötet haben. Ärger über Sonnenjäger, weil er nicht mehr mit ihnen sprechen will.« Klebkraut hob selbstgefällig das Kinn. »Sie sagte, die Mammuts brauchen einen neuen Träumer, mit dem sie sprechen können.«
    »Aha. Und du denkst, du bist derjenige?«
    »Wer sonst ist da?«
    Melisse preßte die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Seit Jahren setzte Klebkraut alles daran, Sonnenjäger die geistige Führerschaft der Küsten-Klans abzuringen. Melisse hatte ihn nie ernstgenommen. Käme es jemals zu einem wirklichen Kampf zwischen den beiden, so würde dieser wohl enden wie bei zwei Großkatzen Klebkraut würde am nächsten Morgen tot im Sand liegen. Aber in einer Beziehung hatte Klebkraut recht: Sonnenjägers ständige Abwesenheit hatte ihn in den Augen der Leute einen großen Teil seines Ansehens gekostet. Wenn Sonnenjäger nicht bald etwas unternahm, um den Schaden wiedergutzumachen, würde Klebkraut vielleicht ohne jeden Kampf gewinnen.
    Andere Träumer standen nicht zur Auswahl. Gute Feder lebte zurückgezogen und träumte nur für ihre Familie im Strauchnuß-Dorf. Im Wettkampf um die Seelen blieben also nur Klebkraut und Sonnenjäger übrig.
    »Was also willst du von mir, Klebkraut?«
    Der Träumer verschränkte die Arme vor der Brust und versteifte den Rücken. »Ich möchte, daß du eine Ratssitzung einberufst, so daß ich jedem von meinem Traum berichten kann. Nur auf diese Weise kann ich alle überzeugen.«
    Melisse verlagerte sein Körpergewicht auf das andere Bein. Wie richtig. Ohne eine Ratssitzung konnte Klebkraut seinen Traum so oft erzählen, wie er nur wollte; er hatte sich in der Vergangenheit so oft geirrt, daß nur wenige Leute ihm ihre Aufmerksamkeit schenken würden.
    »Wenn ich derjenige bin, der die Ratssitzung für dich einberuft, dann sieht es so aus, als glaubte ich an deinen Traum«, sagte Melisse. »Das ist es doch, was du willst, oder?«
    »Ich brauche nur eine kurze Sitzung, Melisse«, antwortete Klebkraut ausweichend. »Es dauert nicht lange. Und am Ende wird meine Macht siegen.«
    Melisse rieb irritiert die Zunge am Gaumen. Die Forderung brachte ihn in eine unglückliche Position.
    Einige Leute glaubten tatsächlich an Klebkrauts Macht. Nicht viele, doch genug, daß eine Spaltung des Klans die Folge sein konnte, wenn Melisse die Forderung abschlug und Klebkrauts Anhänger verärgerte. Es mochte sicherer sein, Klebkraut die Gelegenheit zu geben, sich selbst öffentlich zu blamieren. Am besten wäre es natürlich, wenn Melisse die Sache so drehen könnte, daß Sonnenjäger bei der Sitzung zugegen war, um sich zu verteidigen.
    »Es ist mein Recht als Mitglied dieses Klans«, sagte Klebkraut.
    Melisse nickte verbindlich.

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