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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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»Ja, es ist dein Recht. Das ist richtig. Aber ich kann dir noch keinen genauen Tag nennen. Ich muß mich erst um einige Dinge kümmern und mit ein paar Leuten sprechen.
    Auf jeden Fall kann die Sitzung erst nach dem Mammut-Geist-Tanz stattfinden.«
    Klebkraut sah aus, als wäre er von der Antwort verblüfft. »Aber du wirst die Sitzung einberufen?«
    »Sobald ich kann«, antwortete Melisse.
    »Vielleicht habe ich dich falsch beurteilt, Ältester.« Aber seine Stimme klang nicht überzeugt.
    Klebkraut drehte sich um und schlurfte über die Felsterrasse davon.
    Melisse betrachtete den mageren Rücken des Davongehenden, und eine schlimme Vorahnung schlich sich in ihn wie ein Aal, der in ein Netz schlüpft. Er seufzte und machte sich wieder auf den Weg zu der Frauenschar und dem knisternden großen Feuer.
    Bergsee sah ihn kommen und rief: »Großvater! Ich habe zwei Stück für jeden von uns bekommen!«
    Sie hielt vier lange gebratene Fettstreifen hoch und lief auf ihn zu.
    Klebkraut saß mit untergeschlagenen Beinen auf einem dicken Stapel Häute in seinem Zelt. Der Zeltrahmen war ungefähr vier Meter lang und drei Meter breit. Um ihn aufzurichten, hatte er zehn Walrippen, fünf auf jeder Seite, in Erdlöcher gesteckt, die er zuvor mit einem eichenen Grabstock ausgehoben hatte. Die Rippen hatte er mit feuchten Rohlederstreifen, die sich beim Trocknen zusammenzogen, an einer zentralen Firststange aus Tannenholz festgebunden. Durch Handeln und Feilschen hatte er zwölf sorgfältig gegerbte Häute des Kurzschnauzenbären erstanden und mit ihnen den Rahmen überzogen. Die Häute hatte er mit Wapiti- und Hirschsehnen zusammengenäht.
    Das Ganze war groß genug, einen wohlhabenden Mann und seine Familie zu beherbergen hätte Klebkraut jemals etwas an solchen Trivialitäten gelegen. Er war zweimal verheiratet gewesen, jedesmal aufgrund der Bemühungen seiner Mutter, eine gute Verbindung mit einem anderen Küstenklan herzustellen. Beide Male hatten die Frauen ihn nach ein paar Tagen verlassen, weil er sie absichtlich ignoriert hatte. Jede Heirat hatte seinen Klan ein Vermögen gekostet, denn die sorgfältig ausgehandelten Hochzeitsgeschenke mußten zurückgegeben und zur Wiedergutmachung mußten weitere wertvolle Geschenke gemacht werden.
    Viele Mitglieder des Klans, insbesondere die, deren Wohlstand durch diese Transaktionen gelitten hatte, trugen ihm dies nach, doch Klebkraut machte das nichts aus. Sein Verhalten hob ihn heraus, grenzte ihn von den anderen ab. Träumer waren immer anders als die gewöhnlichen Leute.
    Sein Zelt hatte er ganz nach seinem Geschmack eingerichtet. Mit exotischen Steinen, geschnitzten Elfenbeinfiguren und heiligen Pflanzen gefüllte, in leuchtenden Farben bemalte Bisonledertaschen standen auf den zwei Balken, die die Zeltwände zu beiden Seiten am Boden festhielten. Acht Körbe mit Nüssen hingen in gleichmäßigen Abständen am Zeltfirst. Sowohl die Verwendung von Walrippen für den Zeltrahmen als auch der Einsatz von Körben zur Aufbewahrung der Nüsse hatten den Zweck, Fäulnis und Zerfall, die durch die feuchte Luft der Küste begünstigt wurden, aufzuhalten. In Lederbeuteln fingen Samen und Nüsse bald an zu schimmeln, und Zeltstangen aus Baumschößlingen hielten nur ein paar Jahre, bevor sie ersetzt werden mußten.
    Klebkraut riß ein Stück Kiefernholz aus dem Holzstoß zu seiner Linken und warf es in das Feuer in der Mitte des Zeltes, das wild aufloderte. Sein Zorn auf Melisse war noch nicht verflogen. »Mehr meiner Träume müssen sich bewahrheiten, hä, Melisse? Alter Trottel. Was weißt du schon? Es ist nicht meine Schuld, daß das Träumen so schwer ist.«
    Eine ganze Weile hatte Klebkraut das ungleichmäßige Stück Hirschleder angestarrt, das er auf seinem Schoß ausgebreitet hatte. Das weiche Leder hatte die blasse Farbe von Eierschalen, so daß die schwarzen Linien von Sonnenjägers Labyrinth sich deutlich dagegen abhoben. Sie zogen in Mäandern über die Fläche und schlängelten sich wie betrunken durch die Mitte und um die Mitte herum.
    Klebkraut hatte das Labyrinth von Sonnenjägers Zeichnung exakt kopiert. Im flackernden Licht schienen die Linien sich zu bewegen; wie eine Brut frisch geschlüpfter Schlangen schlängelten sie sich hin und her. Klebkraut versuchte mühsam, sich auf die Linien zu konzentrieren, doch seine Gedanken schweiften umher wie eine Biene bei ihrem Flug über ein Feld voller Wildblumen. Alles lenkte ihn ab: das blaurote Muster der Bisonledertaschen, das

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