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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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des Jungen bebte vor Schluchzen.
    Die Stimme des Mannes hallte durch den sternenhellen Schoß der Nacht: »Vielleicht habe ich dich fälschlich arrogant genannt.«

22. KAPITEL
    Schnee.
    Und noch mehr Schnee.
    Turmfalke stand am Eingang der Felsenhöhle und betrachtete den in dichten Schwaden über den Himmel taumelnden nebligen, weißen Schleier. Winterjunge war mit verblüffender Heftigkeit zurückgekehrt. In der Morgenluft schienen die Flocken zu schweben, so wie von einer warmen Luftströmung getragene Gänse, die langsam abwärts gleiten. Die Mutter, wie Sonnenjäger den Ozean nannte, lag völlig ruhig unter ihnen. Ihre Stimme war nur ein schwaches Geflüster, als ob sie noch schliefe. Die glatte Wasseroberfläche spiegelte den grau schillernden Glanz der stürmischen Luft wider.
    Genußvoll sog Turmfalke den mit dem Moschusgeruch der Küste vermengten scharfen Duft des Salzes ein. In der feuchten Luft vermischten sich die Gerüche von Erde, Pflanzen und Rauch und hauchten ihr neues Leben in die Seele.
    Gedankenverloren ließ Turmfalke die Finger über die Muschelschalen gleiten, die die Vorderseite des Hemdes bedeckten, das sie von Sonnenjäger erhalten hatte. Er war so viel größer als sie, daß die Fransen des Hemdes ihr bis über die Knie fielen. Sie hatte ein Stück Leder von den Ärmeln abgeschnitten, damit sie paßten.
    Aus feiner Mammuthaut gearbeitet und mit so vielen wunderschönen Muscheln verziert, daß selbst Stechapfel neidisch geworden wäre, und Sonnenjäger hat es mir einfach gegeben.
    Turmfalke war gleichzeitig mit Sonnenjäger aufgestanden. Während er in den Wald auf die Suche nach Geistpflanzen gegangen war, hatte sie ein Bächlein aus Schmelzwasser entdeckt, das wie ein Wasserfall den Felsen herunterstürzte. Sie hatte sich unter die eisige Dusche gestellt und ihr langes Haar gewaschen; dann war sie in die Höhle zurückgekehrt, um es vor den niedrigen Flammen des Feuers zu trocknen.
    Im Hintergrund der Höhle schlief Wolkenmädchen auf einem Stapel weicher Wapitihäute. Turmfalke hatte sie gleich nach dem Aufwachen gestillt, und Wolkenmädchen war sofort wieder eingeschlafen.
    In letzter Zeit schlief das Baby mehr und weinte weniger. Oft hing es lange Zeit einfach in dem aufgerichteten Tragegestell und spielte mit Helfer; sie zauste ihn am Schwanz oder packte seine von der Räude kahlen Ohren. Der Hund schien die Aufmerksamkeit zu ermutigen; er schaute das Kind mit braunen Augen an und stieß hin und wieder mit der Nase gegen Wolkenmädchens Patschhändchen.
    Selbst Turmfalke vermißte den Hund, wenn er - so wie jetzt nicht da war. Er war mit Sonnenjäger nach draußen gelaufen, um zu jagen.
    Sie wandte ihren Blick wieder den vor der Höhle niedertaumelnden Schneeflocken zu. Wirbelnd tanzten sie nach unten und setzten sich in die weiche, weiße Decke auf dem Felsband.
    »Wird das Schneien denn niemals aufhören?« flüsterte sie ängstlich. Wir werden erst in Sicherheit sein, wenn wir Eiskrauts Familie gefunden haben und vielleicht nicht einmal dann.
    Sie schaute zum Feuer. Unter einer Schicht grauer Asche leuchtete rote Glut. Turmfalke nahm zwei Äste aus dem Stapel Treibholz, das Sonnenjäger gesammelt hatte, und schob sie in die Asche.
    Rauchkringel zogen nach oben, und dann schlugen knisternde, gelbe Flammenzungen aus dem trockenen Holz.
    Von dem Flackern der an den Holzstücken emporleckenden Flammen fasziniert, verschränkte Turmfalke die Arme. Ein kleiner Korb stand neben dem Feuer. Er war aus Weidenrinde gewebt, und den Deckel verzierten grüne und rote geometrische Muster. Sie hatte ihn am vergangenen Abend bemerkt. Sonnenjäger hatte den Korb weggestellt, als er mit der Zubereitung des Abendessens begonnen hatte, und ihn so in die Hände genommen, als enthielte er etwas sehr Kostbares und Zerbrechliches.
    Neugierig kniete Turmfalke sich nieder und hob den Deckel ab. Mit hin und her tastenden Fühlern krabbelte eine einzige Ameise über den Sand auf dem Korbboden. In der Mitte des Korbes lag ein langes Quarzmesser auf einem zusammengelegten Stück Hirschhaut. Das Messer hatte eine grünlich-graue Schneide, die Farbe des Ozeans. Sie wollte gerade den Deckel wieder aufsetzen, da sah sie an der Unterseite eine andere Ameise. Nachdenklich blickte sie sie an, dann verschloß sie den Korb.
    »Ameisen?« fragte sie laut. »Was kann er denn damit vorhaben?«
    »Oh, diese Ameisen würden dich überraschen. Sie sind sehr nützlich. Sie können dich alles lehren, was man wissen

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