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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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dich beeilen. Du mußt sie finden, bevor Stechapfel es tut!
    Melisse würde Turmfalke nicht einfach an Stechapfel übergeben, davon war Sonnenjäger überzeugt.
    Sumach würde eine Ratssitzung verlangen, um die Anschuldigungen zu prüfen, wenn Turmfalke es überhaupt bis zu dem Dorf schaffte, bevor ihr Mann sie abfing. Wenn ihr das aber nicht gelang, wie sollte Sonnenjäger sie dann finden? Wohin mochte Stechapfel sie schleppen? Zurück ins Wacholder-Dorf?
    Oder würde er sie ohne Zeugen hier, in der Tiefe des Waldes, töten?
    »Komm, Helfer! Laß uns wieder loslaufen. Wir können es schaffen.«
    Sonnenjäger schüttelte die schweißnassen Strähnen weißen Haares, die an seiner Stirn klebten, aus dem Gesicht und rannte die Steigung hinauf. Er verlangte seinen Muskeln immer mehr ab, bis sie erschöpft zitterten.
    Helfer, der wie ein schwarzer Schatten durch die Dunkelheit glitt, rannte vor ihm her. Er hatte aufgehört zu knurren und war leise geworden wie ein wilder Hund, wenn er seine Beute in der Nähe weiß. Sonnenjägers Nerven knisterten wie ein von wütender Hand geriebener Pelz. Nur zahme Hunde kläfften und keuchten vor Aufregung, wenn sie ihrer Beute nahe waren.
    Helfer verschwand lautlos hinter der nächsten grasigen Erhebung.
    Jenseits der schattigen Umrisse der Vorberge erhellte ein glänzender Silberbogen den Himmel. Alter-Mann-Oben würde bald am Himmel stehen und mit seiner mächtigen Gegenwart die Hälfte des Sternenvolkes verjagen. Sonnenjäger betete, daß der Pfad über Wiesen führen möge und nicht durch den dichten Wald. Im offenen Gelände beschien das Mondlicht jeden Feind, der den Angriff wagte, und es bot Sonnenjäger ein Ziel für seinen Speer. Die meisten Raubtiere, die in der Nacht auf Jagd gingen, hielten sich in den dichtesten Busch- und Baumbeständen auf und lauerten dort ihrer ahnungslosen Beute auf. Durfte er auf den Wiesen bleiben, falls der Pfad in den Wald einbog? Er würde vielleicht den Weg verlieren und damit kostbare Zeit.
    Den ganzen Tag war er wegen Turmfalke außer sich gewesen. Er wußte, warum sie weggegangen war.
    Sie hatte schon vorher versucht, ihm zu sagen, daß sie es für ihre Schuld hielt, wenn er den Weg durch das Labyrinth nicht finden konnte. Sein Versagen als Heiler mußte sie gequält haben.
    Und ich habe es nur noch schlimmer gemacht, indem ich ihr meine Bedürfnisse aufzwang. Es ist nicht deine Schuld, Turmfalke. All dies ist meine Schuld. Dir ist kein Vorwurf zu machen.
    Heilige Geister, wie sie ihm fehlte. Er hatte vorher nicht verstanden, was Gute Feder damit gemeint hatte, als sie sagte: »Niemand ist mit nur einer halben Seele glücklich«, aber jetzt war es ihm klar.
    Nach Turmfalkes Verschwinden fühlte er sich wie zerbrochen und nur noch halb am Leben.
    Wegen des wellenförmigen Auf und Ab des Pfades rutschte Sonnenjäger häufig aus, dennoch aber hielt er einen stetigen Trab bei. Immer wieder suchte er mit den Augen den Schatten im Bereich der Bäume ab.
    Er lief einen Hügel hinab und den nächsten wieder hinauf. Als er die Kuppe erreicht hatte und in das enge Tal unter sich blickte, sah er eine Reihe von verstreut liegenden, taubenfarbenen Teichen. Das umgekehrte Spiegelbild der Bäume zeichnete sich schwach auf diesen völlig glatten, unbewegten Flächen ab.
    Sonnenjäger konnte Helfer nicht sehen. Doch er hörte das sanfte Rascheln von durchs Gestrüpp streifendem Fell.
    »Es ist nur die Dunkelheit«, flüsterte er sich zu. Doch er zitterte; er fühlte dort etwas, als würde sich der Schatten zu einer Gefahr verweben.
    »Helfer!« rief er. »Bist du das, Junge?«
    Irgend etwas bewegte sich in den tintenschwarzen Schatten am Rande der Bäume östlich des Pfades.
    Spielte ihm das Dämmerlicht einen Streich? Oder glühten dort Augen? »Helfer!«
    Ohne Vorwarnung brach das riesige Tier aus der Dunkelheit hervor. Auf kraftvollen Beinen schoß es mit heraushängender Zunge den Hügel hinan auf ihn zu. Sonnenjäger wurde von Angst gepackt. Er trat einen Schritt zurück, legte seinen Speer in den Atlatl ein und stellte sich wurfbereit hin. Ein Riesenwolf! Welch ein mächtiges Tier!
    Für seine Größe bewegte sich der Wolf unnatürlich lautlos und elegant, so als schwebte er wie ein Geist über den Pfad. Bei jedem Sprung umwogte ihn sein zottiges schwarzes Fell. Auf dem Rücken stand ein Kamm gesträubten Haares, der Sonnenjäger bis zur Brust reichte. Wenn das Tier nahe genug heran war, wollte er ihm den Speer ins Herz werfen und weglaufen.

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