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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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karmesinrote Schleier des Blütenmonds hatte die Welt in Farbe getaucht. Tannin lief, von einem Strahlenkranz rosafarbenen Lichts umgeben, über den oberen Rand des Steilufers auf Stechapfel zu.
    Sein älterer Bruder hatte den Fuß auf einen Felsen gestellt, während er auf den angeschwollenen, schmutzigen Fluß schaute. Die Fransen an seinen Ärmeln und Hosenbeinen flatterten im kühlen Abendwind. Weit unten flimmerten scharlachrote Lichtflecken auf der Oberfläche des schlammigen Wassers.
    Tannin holte tief Luft und hoffte, daß der starke Geruch von feuchtem Wacholder und Salbei das Angstgefühl in seiner Brust lindern werde. Seit Turmfalkes Flucht war Stechapfel immer schlimmer geworden. Es war sehr schwierig gewesen, ihre Spur im Regen zu verfolgen. Ihr mühseliges Vorankommen hatte Tannin frustriert, doch Stechapfels Wut schien dadurch nur zu wachsen.
    Jedesmal, wenn Stechapfel in einem Busch eine Franse ihres Kleides fand oder einen Zweig aufhob, den sie bei ihrer Flucht abgebrochen hatte, schaute er Tannin aus glasigen Augen an.
    Am Nachmittag, als sie die Stellen entdeckt hatten, wo Turmfalke den Salbei aus dem Boden gerissen hatte, war Stechapfel in ein unheilverkündendes Schweigen versunken. Er war in dem Gebiet so lange kreuz und quer gelaufen, bis er die Gestrüppwälle fand. Dann war er die Wälle entlanggegangen und hatte über die Klippe auf die Tapirskelette hinabgeschaut. Lange Zeit hatte er so dagestanden, ohne auf Tannins Fragen einzugehen.
    Nach einer Weile hatte Stechapfel unkontrollierbar zu zittern begonnen. Erschrocken hatte Tannin versucht, seinem Bruder zu helfen und ihn dazu zu bewegen, sich hinzusetzen. Doch Stechapfel hatte aufgebrüllt und, mit den Fäusten um sich schlagend, Tannin zum Zurückweichen gezwungen. Erst da erkannte Tannin, wie schrecklich die Wut seines Bruders war.
    »Die Wachteln sind fertig«, sagte Tannin.
    Stechapfel rührte sich nicht. Er hielt die Augen auf den schäumenden Fluß gerichtet.
    »Komm essen, Stechapfel! Wir müssen essen und schlafen und morgen früh aufstehen.«
    Flüsternd fragte Stechapfel: »Siehst du sie?«
    »Wen?« Tannin zog die Brauen zusammen. Er sah nur Vogelschwärme über dem Uferstreifen. Wie ein Schneegestöber flatterten dort Hunderte von Vögeln mit im verblassenden Abendlicht rötlich angehauchten Flügeln. Weiter draußen im Wasser sprangen Fische nach den schwirrenden Insekten.
    »Wen, Stechapfel?«
    »Meine Frau. Dort ist sie!«
    »Wo?« Tannin suchte das Flußufer unter ihm mit den Augen ab.
    Stechapfel hob einen Arm und zeigte mit gekrümmtem Finger nach vorn: »Über dem Fluß. Sie steht auf der anderen Seite.«
    Das Abendlicht erhellte die Klippen in der Ferne, doch Tannin konnte kaum die größeren Flecken von Wacholderdickicht auf dem Hochland ausmachen. Er blickte Stechapfel von der Seite an. »Sie kann nicht hinübergekommen sein, Stechapfel. Das Wasser ist zu kalt. In ihrem Zustand hätte sie das nie geschafft - bei der starken Strömung.«
    »Sie hat das Baby zur Welt gebracht.«
    »Sie hat das … Woher willst du das wissen?«
    Stechapfel blähte die Nasenflügel auf und witterte in den Wind. »Ich kann das Blut riechen. Sie hat das Kind hier irgendwo in der Nähe geboren. Wir müssen es den Leuten sagen. In jedem Dorf, durch das wir kommen, werden wir uns mit den Ältesten zusammensetzen und ihnen von Turmfalke und ihrem Verbrechen erzählen.« Er nickte nachdrücklich. »Ja, und wir werden für den, der sie gefangennimmt und zu uns bringt, ein Vermögen als Belohnung aussetzen. Du weißt, wie schnell die Händler wandern. Die Nachricht wird sich wie auf Adlerflügeln verbreiten. Viele Augen werden die Pfade beobachten. Sie wird niemals entkommen.«
    »Stechapfel. Ich glaube nicht…«
    »Du glaubst nicht, was ich über das Baby gesagt habe? Komm! Komm mit, sofort. Komm!« befahl Stechapfel. »Ich werde es dir zeigen.« Er sprang auf und rannte über die Felskante den Abgrund entlang. »Da hinüber!« schrie er, als er einen Wildwechsel entdeckte, der zum Fluß hinunterführte.
    »Warte, Stechapfel!« protestierte Tannin. »Unser Lager ist hier oben. Wir können morgen suchen.«
    Wenn sie zurückkamen, würden die Wachteln nicht mehr da sein. Das erste hungrige Tier, das vorbeikam, würde sie auffressen.
    Ohne daran einen Gedanken zu verschwenden, rannte Stechapfel, eine dichte Staubwolke hinter sich herziehend, den steilen Pfad hinab. Seine beutelartigen Wangen hüpften bei jedem Sprung. »Beeil dich! Komm!«
    Tannin

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