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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Ich bin nur zur Hütte meiner Kusine gegangen, um das Wiegenbrett ihres Neugeborenen zu bemalen. Weshalb gerät Stechapfel darüber in Wut?«
    Turmfalke zuckte zusammen und wachte keuchend auf. Für einen Moment noch hielt das Murmeln des Flusses sie gefangen. Stimmen? Nein, nein, Wasser. Nur das Geräusch des Flusses.
    Das Feuer war niedergebrannt. Wolkenmädchen schlief noch immer friedlich und selbstvergessen in ihrem Schoß. Der Kopf des Babys war zur Seite gerutscht, und sie hatte am Fell ihrer Kapuze genuckelt. An ihrem Mündchen klebten graue und braune Haare.
    Vor Kälte zitternd legte Turmfalke neues Holz auf die Glut. Knisternd und sprühend loderten die Flammen auf. Die rauhen Wände der Schutzhöhle erglühten bernsteinfarben. Turmfalke hielt den Blick auf die Dunkelheit dahinter gerichtet. Flink wie eine Spinne ließ sie die Finger in ihr Bündel gleiten und griff nach dem Tapirknochenstilett. Sie nahm es heraus und legte es sich auf die Beine.
    Eulen riefen, gespenstisch glitten die lautlosen Flieger auf der Jagd nach im Weidengebüsch versteckten Mäusen und Zwergkaninchen das Ufer entlang. Der Wind hatte sich gelegt. Außer dem beständig dahineilenden Fluß gab es keine Bewegung. Und doch schlug Turmfalkes Herz so heftig, daß die Schutzhöhle zu beben schien.
    Endlich hellte Morgenrötekind den östlichen Horizont so weit auf, daß Büsche und Felsen sichtbar wurden. Turmfalke stillte Wolkenmädchen, packte ihr Bündel und lief los.

11. KAPITEL
    Melisse zog Sumachs runzlige Hand in seinen Schoß und hielt sie sanft fest. Sie hatten sich zusammen unter die Haut eines Mammutkalbes gekauert und verfolgten den Beginn des Mammut-Geist-Tanzes.
    Sie hatten eine Woche auf Sonnenjäger gewartet - vergeblich. Dann konnte Melisse den Tanz nicht mehr länger verschieben. Immer mehr Leute aus dem ganzen Umland waren eingetroffen. Manche Dörfer lagen mehrere Tagesmärsche entfernt.
    Dichter Nebel wallte vom Ozean heran. Vor einiger Zeit hatte es begonnen zu frieren, und die Bäume hatten sich in glitzernde Riesen verwandelt. Für diese Jahreszeit war das normal. Man wußte nie, was Frühlingsmädchen sich alles einfallen ließ, und wer dachte, daß endlich das warme Wetter gekommen sei, wurde immer wieder eines anderen belehrt. Wie spitze Krallen hingen Eiszapfen von den Firstpfählen der Zelte.
    Die standen unter den Bäumen enger beieinander, breiteten sich aber auch über den Strand aus. Das Mammut-Geist-Tanz-Zelt, das sie aus den Häuten von acht der gestorbenen Mammuts errichtet hatten, war besonders großartig. Es maß drei Körperlängen in der Breite und sieben in der Länge und war über und über mit Mammutszenen bemalt: friedlich aufgrünen Frühlingswiesen grasende Mammuts, in einem Feld wilder Rosen nahezu versteckt liegende Mammutkälber und brünstige Mammutbullen, die sich mit ineinander verschränkten Stoßzähnen hin und her schoben. Vom Türvorhang starrte jeden, der vorüberging, das Gesicht einer Mammutkuh mit glühendroten Augen an. Bogenförmig aufgehängte Stränge von Muschelschalen verzierten die Dächer, und wie bizarre, einäugige Köpfe hingen Bündel von Mammutrückenwirbeln von den hervorstehenden Enden der Firstpfähle herab. Im Wind schlugen sie klappernd gegeneinander.
    In Melisses knochiger, alter Brust stieg Wärme auf. An Feiertagen erschien ihm die Welt immer glänzender und schöner.
    »Schau dir die Leute an«, sagte Sumach. Mit leuchtenden Augen blickte sie über den Dorfplatz.
    »Ja, das ist der größte Tanz, den wir je abgehalten haben.«
    Den ganzen Tag über waren von den nahe gelegenen Dörfern Menschen eingetroffen, und der Platz war nun mit einer lärmenden Menge gefüllt. Die Menschen bewegten sich durcheinander oder saßen am Boden, wenn sie unter den hohen Tannen einen trockenen Platz hatten finden können. Das Mondlicht drang nur schwach durch den Nebel, doch es ließ die Freude auf den Gesichtern der Menschen erkennen. Eine Mischung aus großer Hoffnung und Furcht schwang lebhaft in dem leisen Stimmengewirr mit.
    »Ich hoffe nur, daß Sonnenjäger kommt, bevor der Tanz zu Ende ist«, sagte Melisse. »Ich habe eine Frau vom Wanderdrosselflügel-Dorf sagen hören, daß sie mit ihrer Familie vier Tage hintereinander marschiert ist, um am Tanz teilzunehmen. Sie hatten erwartet, daß Sonnenjäger sie am Eingang des Dorfes begrüßen würde. So wie er das früher getan hat. Erinnerst du dich? Weißt du noch, wie er den Tanz eingeführt hat? Das waren damals

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