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Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Titel: Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Sonnenwärme. Die Verzweiflung, die sie nach den Worten von Langer Mann ergriffen hatte, war weggeblasen wie der verkrustete Schnee des letzten Winters.
    Perle hatte ein niedriges Gebüsch entdeckt, unter dem sie sich zusammenrollte und in der sanften Frühlingssonne döste. Allerdings plagten sie weiter ihre Gedanken, die Angst, daß die Khota sie finden würden.
    Der Wind, der den Duft des Wassers, der nassen Erde und der Bäume heranwehte, brachte auch den Gesang der Vögel.
    Perle packte das Atlatl von Wolf der Toten. Dem Wunsch, es so weit fortzuwerfen wie möglich, gab sie jedoch nicht nach, denn die Waffe könnte ihr Leben retten.
    Zwar hatte sie Todesangst, schlich aber trotzdem noch einmal zum Kanu und nahm sich ein halbes Dutzend Speere hinter dem schlafenden Verdreher heraus. Der Sack Mais war bei weitem ausreichend als Entschädigung für alles.
    Ich hätte noch mehr mitnehmen sollen - Sachen zum Eintauschen oder um sie selbst zu benutzen.
    Vor ihrem inneren Auge zogen noch einmal die schrecklichen Szenen bei den Khota vorbei. Die Erniedrigung, die ihr Wolf der Toten angetan hatte, als er sie vor aller Augen wie eine schmutzige Hündin bestiegen hatte.
    Er lebt, flüsterte sie leise, und er wird mich suchen … er wird seine Krieger sammeln und mitnehmen.
    So wie sie damals nach der Ilinifrau gesucht hatten, die dann auf schreckliche Weise ums Leben gekommen war.
    Wie konnte der Verdreher das wissen?
    Was siehst du auf dem Grund deiner Seele, Trau aus dem Wasser? Hat er dich vernichtet? Oder wirst du zurückschlagen?
    Wie sollte sie zurückschlagen? Gegen zehnmal zehn Krieger? Allein, mit nur sechs Speeren.
    Perle konnte das Bild von Wasserfuchs und seinen freundlichen Augen nicht loswerden. Er hatte es gewußt und hatte versucht, ihre Ängste zu mildern.
    Warum habe ich mich bloß nicht vergewissert, ob ich Wolf der Toten den Schädel eingeschlagen habe? Wenn ich gewußt hätte, daß er noch lebte, sein Herz noch schlug, hätte ich ihm einen Speer durch die Brust jagen können.
    Nur ein Gedanke gab ihr Trost: Sollte er sie finden und töten, dann würde ihr Geist ihn niemals in Ruhe lassen. Sie würde ewig in diesem Flußtal spuken und jeden in Schrecken versetzen, der hier vorbeikäme. Sie würde es ihnen heimzahlen - das war ein Handel, den nicht einmal Wasserfuchs verstehen würde. Gewalt und Schrecken vergolten mit Gewalt und Schrecken.
    Ich habe mich nie vor etwas gefürchtet, dachte sie. Nichts konnte Perle erschrecken - kein Alligator, nicht einmal die Stürme und Wellenberge auf dem großen, weiten Meer.
    Damals, als sie den Delphin harpuniert hatten, hatte sich ihr Leben verändert.
    Perle zitterte jetzt. Ihre Angst war wie ein Ungeheuer, das sie zu verschlingen drohte.
    Wieder hörte sie die Stimme des Verdrehers. Wie wirst du mit deiner Angst fertig? Wirst du feige sein und sie an deiner Seele nagen lassen? Oder wirst du durchs Teuer greifen, obwohl du weißt, daß du vor Schmerzen schreien mußt, weil dein Fleisch versengt wird, aber du auch weißt, daß die Wunden verheilen?
    Sie flüsterte: Vielleicht habe ich Angst, Verdreher, aber feige bin ich nicht. Kein Mann bringt mich dazu, mich selbst zu verleugnen - nicht einmal Wolf der Toten.
    Sie hörte leise Männerstimmen hinter sich. Khota! Jäger auf der Pirsch, die ihre Strecke festlegten.
    Sie kamen näher. Gleich würde ihr Herz die Rippen sprengen. Sie müßten ihr Zittern spüren, ihre Angst wittern.
    Sie verstand Wortfetzen: »… lagern oberhalb … Hund dabei, achte auf den Wind… wollen sie umzingeln …« Die Stimmen entfernten sich wieder.
    Sie war erleichtert, nicht sie wurde gejagt, es waren der Händler und seine Gefährten, hinter denen sie her waren. Am liebsten hätte sie ihre Freude herausgeschrien, zum Himmel und zur untergehenden Sonne.
    Leg dich ruhig hin, sei still, dann werden sie dich hier nie vermuten.
    Sie schloß die Augen und ärgerte sich über ihre Dummheit. Der Sack Mais würde sie verraten. Wenn die Khota ihn im Kanu fänden, wüßten sie Bescheid. Sie hatte dem Händler Speere weggenommen wie würde er sich dann verteidigen?
    Du bist Perle von den Anhinga! Steh auf! Sie sammelte sich. Beweise, daß du nicht feige bist, Frau!
    In ihrer Phantasie heulte Wolf der Toten im Triumph auf, als sie vorwärtskroch.
    Todmüde wartete Otter mißmutig auf den Abend. Er lag unbequem im trockenen Gras. In der Ferne hörte er das Geschrei der Wildgänse. Die Schatten wurden in der Abenddämmerung länger, der blaue Himmel

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