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Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Titel: Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Beinhäusern unterhalb der Totenhügel auf. Vereinzelt knisterten noch Feuer in den Krematorien, begleitet vom Singsang trauernder Hinterbliebener.
    Er wandte seinen Blick nach Osten, wo sich die aufsteigende Sonne noch hinter Wolken verbarg.
    Seine narbige rechte Hand umklammerte die schwere Kriegskeule aus hartem, alten Hickoryholz, sorgfältig griffgerecht geschnitzt und poliert.
    Die Stadt der Toten fest im Blick, begann Schwarzschädel seine Keule zu schwingen. Er warf sie von einer Hand in die andere, wirbelte sie immer schneller herum und lauschte dem sirrenden Geräusch, das dabei entstand. Im Zickzack und fintenreich täuschend, sprang er von einem Fuß auf den anderen, seitlich ausweichend und sich windend. Er bewegte sich mit tänzerischer Anmut und war sich der harmonischen Vollkommenheit seines Körpers bewußt.
    »Ich soll mit diesem Totschläger gehen? Es wird erzählt, er habe seine Mutter ermordet.«
    Das hat er. Ihr Geist peinigt ihn immerfort. Wie du sucht auch er nach Ordnung und Berechenbarkeit.
    Aber anders als du sieht er nichts außer seiner Wut.
    Keuchend reckte sich Schwarzschädel und hob die Keule ins segnende Licht des neues Tages. Unter sich konnte er die Zustimmung der Vorfahren spüren, er hörte ihre schwachen Stimmen, das Murmeln der Geister des Winterclans. Die ganze Nacht hindurch waren die Vorfahren durch die Wände seines Hauses eingedrungen und um sein Bett herumgeschlichen; sie hatten seine Träume gestört, gespenstisch ihren Atem über sein Gesicht geblasen und ihm ins Ohr gewispert.
    Schwarzschädel sog die eiskalte Luft tief ein. Der Geruch von Herdfeuern schwebte zu ihm herauf; er spürte, wie ihn die Leute beobachteten, die wußten, daß er allmorgendlich mit seiner Keule übte.
    Im grauen Licht des Morgens schien der Tempel, in dem die Ältesten warteten, besonders unheildrohend. Sie setzten also ihre Wache fort, ungeachtet der Heiligkeit des Tages. Schwarzschädel schüttelte den Kopf. Daraus konnte nichts Gutes entstehen.
    Grüne Spinne hörte Bunte Krähe flüstern: Vorwärts, Schwarzschädel! Schaffe Unruhe! Es kostet dich nicht mehr als etwas von deiner Seele. Die Zeit ist nahe, daß ich meine Vision an Grüne Spinne weitergebe. Danach, einsamer Krieger, wird dein Leben nie mehr so sein, wie es vorher war.
    Als die Sonne höher in den wolkenübersäten Himmel stieg, hallten die heiligen Gesänge zwischen den Hügeln wider, und die Geister wurden für ihren Flug in die Ewigkeit befreit. Die ganze Zeit blieb der Jüngling Grüne Spinne auf der Matte im Tempel liegen … verloren in der Spirale des Himmels.
    Höre mich, Grüne Spinne. Wenn du bereit bist zu sterben und alles aufzugeben, was du liebst, dann werde ich dir ein Wissen schenken, das kein anderer lebender Mensch besitzt. Du wirst den Weltenbaum besteigen, das Land der Toten durchwandern, und am Ende werde ich dir die Augen öffnen, damit du den Geheimnisvollen sehen kannst. Du wirst deine Wahrheit bekommen, Träumer.
    »Und ich werde ausziehen, um deine Maske zu finden.«
    Mach dich bereit. Gleich ist es soweit.
    Als die Sonne den Zenit erreichte, blinzelte Grüne Spinne. Er wußte, was jenseits der Tempelmauern geschah. Da alles zum Fest der Toten bereitet war, saßen die Leute jetzt an den dampfenden Kochtöpfen.
    Zeit zu sterben. Er fühlte, wie Bunte Krähe den Blitz packte, zielte und ihn schleuderte. Der zuckende Strahl schoß aus den Wolken in den Tempel, in dem der Körper von Grüne Spinne lag.
    Die Menschen fuhren herum. Es herrschte Totenstille, nur das Echo des Donnerkeils verhallte in der Stadt der Toten. Die Flammen züngelten im zerstörten Tempel und setzten das trockene Holz in Brand. Binnen Sekunden loderten die Flammen prasselnd empor, und überall ertönten Entsetzensschreie.

2. KAPITEL
    Ich spüre nur ein unerträglich gleißendes Licht. Ich habe die Augen geschlossen, das weiß ich. Doch dieses Licht durchdringt meinen ganzen Körper wie tausend Teuersteinspäne, und es durchsticht meine Seele.
    Meine Gedanken sind noch ungefügt, sie ordnen sich erst langsam, wie Eiskristalle auf einer Pfütze.
    »Was… was geschieht mit mir?«
    Du hast nach einer Vision verlangt, antwortete eine körperlose Stimme aus großer Ferne.
    »Wo bin ich?«
    Irgendwo in einem Bereich zwischen Leben und Tod.
    Ich habe Angst. Ich will mich nur vor dem schrecklichen Licht schützen. »Ich kann nichts sehen. Es brennt mir die Augen aus.«
    Natürlich, Helligkeit blendet immer. Licht gebiert Dunkel. Und

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