Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen
Windfalle, in der sich die wilden Böen fingen, die sie über das schwarze Wasser trieben.
»Alles in Ordnung?« rief Perle, die eine Seite der Windfalle hielt.
»Ein Traum«, rief er zurück und schüttelte den Kopf. Er konnte Grüne Spinne sehen, der mit einer Ecke der Windfalle kämpfte.
Schwarzschädel bemühte sich, das Bild zurückzuholen, und da war sie, sie streckte ihm durch den Feuerschein die Hand entgegen.
Schwarzschädel kroch nach hinten auf die Packen und schaute in das eulenhafte Gesicht von Grüne Spinne. »Was war das?«
»Die Maske«, erklärte ihm der Verdreher mit seltsam gequälter Stimme. »Ihre Macht wurde heute nacht freigelassen, nutzte Wind und Wasser, funkelte mit den Sternen. Hast du sie nicht rufen gehört?«
»Ich habe geträumt«, gab Schwarzschädel zu. »Komisch. Noch nie habe ich geträumt, ein Vogel zu sein, aber auf einmal stieg ich auf, flog hoch über dem See und sah Kanus paddeln. Natürlich stieß ich hinab, um nachzusehen, ob es Khota waren, aber nein, es waren andere Krieger, zornige Männer, Blutvergießen im Sinn und mit Blutflecken auf ihrer Kleidung.
Aber wen verfolgten sie? Ich ließ mich vom Wind am Südufer entlangtragen, immer nach Osten. Und dort sah ich einen Lagerplatz mit einem Mann, einer Frau und einem kleinen Mädchen. Der Mann träumte, er war eins mit der Macht, tanzte im Kreis, und die Frau blickte angstvoll zu mir auf, als ich hinabflog.
Sofort war mir klar, daß die Krieger sie jagten. Da ich gerade über sie geflogen war, wußte ich, wie nah die Verfolger waren. Als ich sie warnen wollte, sah ich sie richtig…« Er hielt inne. »Die schönste Frau der Welt. Direkt vor mir, sie hielt das Kind an der Hand und blickte zu mir auf.«
»Sternmuschel«, sagte Grüne Spinne. »Das kleine Mädchen ist Silberwasser, ihre Tochter.«
»Und der Mann?«
»Eine Art Medizinmann. Ich habe ihn noch nie gesehen.«
»Ihr Mann?« Schwarzschädel verließ der Mut.
»Nein. Er wäre es aber gern. Ich spüre, daß er sie liebt, und sie… sie ist sich über ihre Gefühle noch nicht im klaren.«
»Ich muß sie retten, Grüne Spinne.« Ja, er würde sie retten. Zweifellos für diesen anderen Mann.
»Deine Vision im Dorf Wenshare war falsch, Verdreher.« Schwarzschädel senkte die Stimme, damit Perle nichts verstehen konnte. »Ich werde auch für sie sterben. Ich werde gegen die Khota kämpfen und dann gegen diese anderen Krieger, die Sternmuschel und Silberwasser verfolgen. Ich werde für euch alle sterben.«
Grüne Spinne lächelte traurig. »Ja, mein Freund. Du, der häßlichste Mann der Welt, wirst für die schönste Frau sterben. Der Verdreher hat gesprochen.«
Schwarzschädel nickte entschlossen.
»Sag mir, Menschentöter«, flüsterte der Verdreher, »würdest du deine Meinung ändern, wenn du sie haben könntest? Würdest du leben wollen, wenn du wüßtest, daß du sie für den Rest deines Lebens lieben könntest?«
Wollte er das? Sein Herz hatte schneller geschlagen, als er sie erblickt hatte, sie, die so allein und voller Angst zu sein schien. Sie hatte ihn mit ihren wundersamen Augen angesehen, und er war dahingeschmolzen.
Er warf einen Blick über die Schulter auf Perle, die mit der Windfalle kämpfte. Otter konnte er nicht sehen, aber er stellte sich vor, wie glücklich seine Miene sein mußte, weil sein Kanu schneller denn je über die Wellen schoß.
Schwarzschädel stand wieder auf. »Nein, Grüne Spinne. Zuerst will ich meine Freunde retten. Dann erst werde ich versuchen, auch sie zu retten. Aber wenn dieser andere Mann sie nicht gut behandelt, wird mein Geist kommen und seine Seele heimsuchen.«
Grüne Spinne nickte. »Der Geist der Macht kennt dein Herz, Menschentöter. Er hat deine Worte gehört.«
»Gut! Dann werden meine Freunde und vielleicht die schöne Sternmuschel in Sicherheit sein.« Darauf lächelte er und merkte, daß seine Gesichtsmuskeln ihm im Traum besser gehorcht hatten. Aber Sternmuschel hatte sich nicht daran gestört, sie hatte seine Seele gesehen.
Schwarzschädel streckte die Hand aus und strich beruhigend über Wellentänzers Holz, dann schloß er die Augen und zog die Decke bis ans Kinn. Ja, er konnte sie noch vor seinem inneren Auge sehen. Er betrachtete die Linien ihres zarten Gesichts, suchte sie sich einzuprägen, damit er sie sich noch vorstellen könnte, wenn er längst tot war, getötet von den Khota oder von den schnüffelnden Füchsen, die Sternmuschel zu ihm hetzten.
Der Tod machte ihm nun immer weniger
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