Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
sagte: »Schwemmstock hat Recht. Für die Kinder. Nimm eine kleine Reserve mit.«
Sonnenfalke nickte und sah Mondschnecke an. »Was sagst du dazu, Mondschnecke?«
»Ja, ja, natürlich«, erwiderte diese. »Und wann sollen die Krieger aufbrechen?«
»Sofort!« stieß Schwemmstock hervor. »Sobald sie bereit sind. Die Überlebenden erwarten sie verzweifelt.«
Mondschnecke sah Flussstein und Sonnenfalke zustimmend nicken und sagte: »Schwanzfeder, sammle deine Krieger. Macht euch fertig, dass ihr gleich aufbrechen könnt.«
»Ja, Älteste.« Er stand auf, verbeugte sich vor jedem der Ältesten und verschwand im Laufschritt in die wogenden Nebelschleier. Ein fahlgelber Schein durchbrach sie, als die Sonnenmutter am Himmel höher stieg.
Schwemmstock erhob sich und half Flussstein und Sonnenfalke auf die Beine. Sie standen in einem kleinen Kreis und schauten sich ernst an. Niemand sagte ein Wort, bis Sonnenfalke bemerkte: »Es ist vielleicht nicht klug, unser Dorf zu verlegen. Nicht jetzt. Nicht nach dem, was in Windeck-Dorf vorgefallen ist. Wir müssen das genau überlegen.«
Mondschnecke nickte. »Ja. Wenn nur wenige den Überfall überlebt haben, ist es nicht sehr sinnvoll, die Dörfer zu vereinen, da sie kein Dorf mehr haben. Vielleicht ist es angebrachter, ihre Überlebenden einfach in unseren eigenen Clan zu übernehmen.«
»Das Problem ist«, gab Schwemmstock zu bedenken, »wir haben keine Möglichkeit festzustellen, wie viele Überlebende es gibt, bis wir sie vor uns sehen. Und wir haben Schote versprochen, wir würden ihn an der Lagune der Seekuh treffen. Ich glaube, wir sollten unser Versprechen halten.«
Das runzlige Gesicht von Sonnenfalke verzog sich bekümmert. »Ja, da muss ich Schwemmstock zustimmen. Wir haben es versprochen. Entweder gilt unser Wort, oder es gilt nicht.«
Mondschnecke und Flussstein tauschten Blicke aus und lasen im Gesicht der anderen. Beide nickten gleichzeitig.
Mondschnecke sagte: »Also gut. Dann machen wir uns weiter für den Umzug bereit.«
Die anderen Geistältesten machten sich auf den Weg zu ihren Schutzhütten durch einen Nebel, der hinter ihnen aufwirbelte und sich wie tanzend verdrehte. Mondschnecke hörte noch eine ganze Weile ihre leisen Unterhaltungen.
Rotalge stand auf und stand steif da, das Kinn hochgereckt.
»Was ist?« fragte Mondschnecke.
Rotalge machte einen großen Bogen um das Feuer herum und blieb vor Mondschnecke stehen. Auf ihrem jungen Gesicht stand ein wilder Zug der Entschlossenheit.
»Großmutter«, sagte sie. »Ich will unsere Krieger auf ihrem Kriegszug begleiten. Ich bin -«
»Ich brauche dich hier!«
Rotalge packte die Hand von Mondschnecke mit festem Griff. »Hier sind genügend andere, die dir helfen, Großmutter. Und ich bin geschickt mit einem Atlatl. Das weißt du. Ich muss mitgehen. Sag nicht Nein. Teichläufer …« Sie hatte Tränen in den Augen, blinzelte sie aber entschlossen weg. Sie sah Mondschnecke an. »Als wir zum Heiligen Teich gingen, um Hundszahn zu treffen, hat mir Teichläufer ein Geheimnis anvertraut. Ich habe versprochen, niemandem davon zu erzählen, aber ich glaube, diesmal würde es ihm nichts ausmachen.«
Mondschnecke empfand ein unangenehmes Flattern in der Brust. »Sag's mir.«
Der Nebel hatte Rotalges schwarzes Haar befeuchtet, und nun klebte es an ihren Wangen wie ein Rahmen um ihre kleine spitze Nase und die großen Augen. Sie roch nach den Palmbeeren-Kuchen, die sie für die Ratsversammlung gebacken hatte. Sie sagte: »Teichläufer hat mir erzählt, dass er sich einen Mond lang unwohl gefühlt hatte, so als würde etwas in ihm geboren. Wie Donner, der erwacht, so hat er es genannt. Er …« Sie zögerte.
Mondschnecke drückte Rotalges Hand. »Weiter!«
»Er hat gesagt, ein schwaches Donnergrollen hätte in seiner Brust angefangen, und manchmal, mitten in diesem Grollen, hörte er meine Stimme. Meine, Großmutter! Er weiß, hat er gesagt, dass ich ihn warnen will.«
»Wovor?« Mondschnecke schüttelte Rotalges Hand, um sie zum Weiterreden anzuhalten.
»Das wusste er nicht, Großmutter. Aber er hat gesagt ›ich brauche dich, Rotalge, ich glaube, ich brauche dich sehr‹. Ich hab das damals nicht verstanden. Aber jetzt verstehe ich es. Ich glaube, er braucht mich dort - und zwar jetzt!«
Sie schauten sich tief in die Augen. Mondschnecke sah in Rotalges Augen Angst und die tiefe Ergebenheit gegenüber ihrem Bruder. »Ist da noch etwas?«
Mondschnecke sagte: »Du hältst etwas zurück, das fühle ich.
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