Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
Vom Netzwerk:
die Hand auf die Schulter.
    Dann richtete er sich auf und watete aus dem Heiligen Teich. Der nasse Saum seines Gewandes war so schwer wie Stein.
    Die Menschen folgten ihm durch die Fächerpalmen den gewundenen Pfad hinunter zum Windeck-Dorf. Die Wedel peitschten ihm um die Beine, als er zurückeilte. Ein Adler schrie; Schote schaute hinauf und sah ihn gegen den Hintergrund der Wolkenstreifen kreisen, der weiße Kopf und der Schwanz leuchtend wie polierte Muschelschalen in der Sonne. Er ließ die Bäume hinter sich und lenkte seine Schritte über den weißen Sand Strand zu den Hütten, aber da zögerte er.
    Am östlichen Horizont türmten sich Gewitterwolken hoch in den Himmel und streckten lange schwarze Arme nach Norden aus. Ein riesiger Schwarm Blitzvögel schoss durch die Wolken, die er fahlblau und dann grellweiß färbte. Ganz schwach hörte Schote ihre Donnerstimmen, die über dem weichen Meeresrauschen widerhallten.
    Seeigel hielt neben ihm an und runzelte die Stirn. »Heilige Geister!« flüsterte er. »Die Sturmfrau ist übler Laune.«
    »Ja«, murmelte Schote.
    »Vielleicht sollten wir in unseren Hütten bleiben, bis es aufklart, bevor wir nach Süden zur Lagune der Seekuh aufbrechen.«
    Schote verspürte ein merkwürdiges Prickeln in seinem Magen, ein ungestümes Drängen trieb ihn an, er wollte weit fort von hier, noch in diesem Augenblick! Er konnte es nicht erklären, aber je länger er die Wolken ansah, um so drängender wurde der Wunsch.
    Stacheljunge trottete heran und umschlang Schotes Bein. Geistesabwesend strich ihm Schote über das zerzauste schwarze Haar. Alle sahen sie mit besorgten Gesichtern auf den Sturm, der sich da aufbaute.
    »Nein«, sagte Schote. »Nein, ich denke, wir sollten uns so schnell wie möglich nach Süden aufmachen.«
    Kupferkopf warf sich herum und stieß die durchschwitzte Decke weg; er tastete nach einer Frau, die nicht da war, die seit zweimal zehn und sechs Sommern nicht mehr da gewesen war. Aus dem Dunkel der Erinnerung stürzte sich der Traum über ihn, und er sah sie so deutlich vor sich wie an jenem längst vergangenen Tag. Schön, herzzerreißend jung und weinend.
    »Muschelweiß!« schrie er, als er ihr durch den Wald nachrannte. Die Palmen und Eichen warfen seine Stimme zurück. »Muschelweiß, bitte. Mach das nicht! Hör auf!«
    Verzerrte Wahnsinnsbilder blitzten auf und vergingen. Er kämpfte gegen sie an, aber sie kamen trotzdem, immer wieder.
    Er rannte wie wild, schlug Wedel und Lianen beiseite.
    Sie war so schnell. In der Ebene war er schneller, aber im Wald war sie dank ihrer langen Beine und ihrer Behändigkeit kaum einzuholen. Er brach durch Unterholz, sprang über einen gefallenen Stamm, rannte den Hirschpfad hinunter, und weiße, duftende Blütenblätter vom Hartriegel flatterten um ihn herum. Er erhaschte kurz einen Blick auf sie, die mit Riedgras im Arm nach links abbog. Er rannte noch schneller und rang nach Luft.
    »Muschelweiß!« brüllte er. »Muschelweiß, hör mir zu. Lass diesen Wahnsinn.«
    Sie schrie zurück: »Lass mich in Ruhe, Kupferkopf. Lass mich in Frieden. Ich muss …« Sie war nicht mehr zu hören, als sie im Frühlingslaub und den nun blühenden Büschen verschwand. Hinter ihr schlugen die Zweige aufeinander.
    Angst und Entsetzen hatte ihnen noch tagelang die Kehle zugeschnürt, als Riedgras immer schwächer wurde. Aber sie war so rasend und verzweifelt gewesen, dass er fürchtete, sie könnte sich etwas antun, um sich selbst zu bestrafen. Sie gab sich die Schuld am Fieber von Riedgras. Sie hatte ihren Sohn mitgenommen, als sie eine kranke Freundin besuchte, um sie zu pflegen. Kupferkopf hatte sie gebeten, das zu unterlassen, aber sie hatte es dennoch getan. Drei Tage später waren dann die bösen Geister in seiner Brust ausgeschlüpft. Muschelweiß, wahnsinnig vor Sorge, hatte sich verflucht und Riedgras in ihren Armen gewiegt. Das Fieber war stärker geworden, doch am vierten Tag hatte Riedgras sie angelächelt, mit den fieberglänzenden Augen geblinzelt und den kleinen Mund leicht bewegt. Er hatte die Arme ausgestreckt, ›Mutter‹ gemurmelt, und Muschelweiß hatte ihn an sich gedrückt, als wollte sie ihn nie mehr loslassen, und gesagt: »Hab keine Angst, mein Kind. Alles wird gut. Ich habe dich lieb, Riedgras, ich habe dich sehr lieb.«
    Kupferkopfs Seelen wanden sich; nach zehn und acht Tagen war Riedgras dann ins Koma gefallen.
    Kupferkopf war zu wütend auf Muschelweiß gewesen und zu ängstlich, um irgendetwas zu tun,

Weitere Kostenlose Bücher