Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
dich gemacht?«
Teichläufer hob den Kopf, und in seinen Augen war zu lesen, wie wund sein Herz war. »Danke, dass du das gesagt hast. Ich weiß, es ist nicht so ernst gemeint, denn ich habe ja kaum Tiere gefangen.« Ihm fielen seine ungeschickten Jagdversuche ein. »Allerdings, meine letzte Falle hat ganz gut gewirkt, nicht wahr?«
»Du hast sie sehr geschickt in den Wildpfad gehängt. Als der Waschbär hineingetappt ist, hat er nicht einmal gewusst, wie ihm geschah.«
»Ja.« Teichläufer lächelte. »Er hing am Fuß in der Schlinge, die ich am Ast aufgehängt hatte.« Sein Lächeln wich, und er schaute düster auf seine Decke. Es war ein Junges gewesen. Als das kleine Tier Teichläufer herankommen sah, hatte es in Todesangst geschrien, und dieser Schrei war Teichläufer durch Mark und Bein gegangen. Das Schlimmste war das Töten gewesen. Mit dem Messer hatte er die Luftröhre des kleinen Waschbären durchgesägt, und die ganze Zeit hatte das Tier nach Luft gerungen und Teichläufer mit großen verzeihenden Augen angesehen. Die Tiere wussten besser um den Tod Bescheid als die Menschen. »Woran denkst du?« fragte Muschelweiß. »An den kleinen Waschbären, und an das, was geschah, nachdem ich ihn getötet hatte.«
Sanft fragte sie: »Und was war das?« Teichläufer konnte sie nicht ansehen. Er zerknüllte eine Ecke seiner Decke. »Ich konnte nicht anders, Muschelweiß, ich habe mich mitten auf den Pfad gesetzt und geweint. Ich wusste, wir brauchen das Fleisch, besonders du hast es gebraucht, um neue Kräfte zu gewinnen, und es tat mir auch nicht Leid, dass ich den Waschbären getötet habe, ich habe nur …«
»Es hat dir nur im Herzen wehgetan.« Muschelweiß hob sein Kinn, um ihm in die Augen zu sehen.
»Warum hast du mich nicht ansehen können, als du mir das erzählt hast?«
Er zögerte. »Ich hatte Angst, dass du dich meiner schämst.«
»Weil du über seinen Tod geweint hast? Weil du Mitleid mit anderen Kreaturen gehabt hast? Wie könnte ich mich deiner schämen, da du den Wert des Lebens begriffen hast?« Sie lächelte schwach.
»Das ist doch deine Stärke, Teichläufer.«
Er ergriff ihre Hand. »Du weißt immer, wie du meine Sorgen lindern kannst. Ich danke dir. Und jetzt schlaf weiter, mein Weib. Es tut mir Leid, dass ich dich so lange wach gehalten habe.«
Muschelweiß wies auf den Platz neben sich, und Teichläufer kuschelte sich erneut an sie, hörte ihren regelmäßigen Herzschlag und lauschte glücklich ihren beruhigenden Atemzügen.
Muschelweiß küsste ihn leicht auf die Stirn. »Ich brauche wirklich Schlaf, Teichläufer, aber noch wichtiger sind mir deine Träume.«
»Ach, die sind nicht so wichtig.«
»Hast du Angst, dass ich dir nicht glaube? Ich werde dir bestimmt glauben, ich muss dir glauben, Teichläufer.«
Er runzelte die Stirn. »Du musst?«
Er spürte, wie sie nickte. »Ja, wir sind dem Dorf des Stehenden Horns zu nahe und beide in großer Gefahr. Ich kann es mir nicht leisten, irgendetwas außer Acht zu lassen. Ich brauche jede kleinste Information, die ich bekommen kann. Ich wünschte, du würdest mir vertrauen.«
»Aber das tue ich doch!« stieß er hervor. »Ich vertraue dir von ganzem Herzen, Muschelweiß. Es ist nur … ich weiß nicht, ob das, was ich empfunden habe, wirklich damit zu tun hat -«
»Teichläufer«, sagte sie, müde seufzend. »Erzähl's mir einfach. Bitte.«
»Der Blitzvogel hat sich gerührt. In mir.«
»Gerührt? Du meinst, so wie ein ungeborenes Kind?«
»Ja.«
Gedankenvoll strich sie ihm ein paar Mal übers Haar. »Der Vogel wächst also?«
Wieder nickte er; er hätte gern ihren Gesichtsausdruck gesehen, fürchtete sich aber zugleich davor.
»Und Musik erklingt dabei.«
Die Hand von Muschelweiß hielt über seiner Schulter inne. »Musik?«
»Ja, eine seltsame Musik, und eine sehr schöne. Fast zu schön, um sie zu ertragen. Zischen und Trommelschläge und Klingeln, und das alles begleitet von tiefen Trommelwirbeln. Donnermusik. So nenne ich sie.«
Teichläufer fühlte, wie Muschelweiß den Kopf reckte. »Wie merkwürdig«, flüsterte sie.
»Was?«
»Kurz bevor meine Kinder geboren wurden, war mir in jedem einzelnen Fall, als spürte ich eine Angst in ihnen, Angst vor dem Geborenwerden und eine Unsicherheit. Vielleicht waren es auch meine eigenen Gefühle, aber ich glaubte, sie kämen von meinen Kindern. So habe ich immer für sie in meinem Schoß gesungen, um ihre Ängste zu lindern, und das schien sie zu besänftigen.« Das Mondlicht
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