Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
Muschelweiß und er geeinigt hatten.
Es könnte gehen …
Er sandte ein Stoßgebet zu jedem Geist, den er benennen konnte. Er musste nur im richtigen Augenblick für Ablenkung zu sorgen, und dafür, dass er in dem darauf folgenden Getümmel überlebte.
Noch wusste er nicht, wie die Ablenkung aussehen würde. Vielleicht sollte er einen Streit mit Schwebestern vom Zaun brechen. Dann kämen von überall Krieger herbeigeströmt, um zuzusehen.
Sicher würden Wetten abgeschlossen. In der Zwischenzeit hätte Muschelweiß die Möglichkeit, zu handeln.
Bei einer verkrüppelten alten Eiche mit hängendem Moos blieb er stehen; sie stand in der nordwestlichen Ecke des Dorfs. Er überschaute die Umgebung und erkannte, dass dies der Baum sein musste, den Kupferkopf in seinem Traum gesehen hatte. Bei diesem Baum erwartete er Muschelweiß.
Dicht hinter dem Baum waren zwei Hütten, aber …
Keine Wachen.
Biberpfote betrachtete den halbmondförmigen Bogen des äußersten Hüttenrings. Diese Lücke war die einzige undichte Stelle, durch die man unbeobachtet ins Dorf gelangen konnte. Hielt Kupferkopf Muschelweiß wirklich für so dumm? Glaubte er wirklich, er brauchte ihr nur eine Öffnung zu lassen, damit sie ihm genau in die Arme lief? Am liebsten hätte er vor Verachtung ausgespuckt.
Aber er fuhr mit seinem Rundgang fort, bis er die Meerfrau durch die Bäume glitzern sah. Ein großer Blaureiher am Ufer, den hohen Hals aufgereckt, beobachtete einen Pelikan, der nur ein paar Flügelschläge weiter einen Fisch verschlang, sich nach der Mahlzeit aufplusterte und danach selbstbewusst den Strand entlangstolzierte. Er hatte nicht das kleinste Häppchen übrig gelassen, und so zog der Reiher den Kopf wieder ein, steckte den Schnabel unter einen Flügel und schlief weiter.
Biberpfote hätte jetzt gern sein Atlatl dabeigehabt, denn der Reiher hätte ein gutes Ziel abgegeben.
Aber als sie ins Dorf gekommen waren, hatten die Wachen sie angehalten und angewiesen, ihr Lager außerhalb der Dorfgrenze aufzuschlagen und ihre Waffen dort zu lassen. Das war ein Befehl von Kupferkopf. Kein Fremder durfte das Dorf mit Waffen betreten.
Biberpfote ging weiter. Die letzte Hütte, eine sehr große, stand vor einigen verkrüppelten Eichen an der Nordseite des Strandes: die Ratshütte.
Er schlich lautlos darauf zu und kniete sich hinter ein Dickicht. Ein Mann lag mitten in der Hütte, Hände und Füße gefesselt. Er hatte langes schwarzes Haar, ein rundes Gesicht und einen breiten Mund. Er trug zwar eine schöne Tunika mit einem aufgemalten blauen Blitz auf der Brust, aber Biberpfote erkannte auf freiliegenden Körperteilen überall eiternde Stichwunden.
Tauchvogel?
Es konnte kein anderer sein.
Muschelweiß hatte Recht gehabt; sie hatte gewusst, wo ihr Mann festgehalten wurde.
Und plötzlich fragte sich Biberpfote, ob Kupferkopf das wohl wusste. Begriff Kupferkopf, in welchen Bahnen das Denken von Muschelweiß verlief, so wie sie wusste, wie seine Gedankengänge aussahen?
Während er zurückwich, kam ihm ein furchtbarer Gedanke. Heilige Geister, nein! Aber war es denn so ausgeschlossen? Hatte Kupferkopf seine Falle vielleicht noch tückischer aufgestellt, als er selbst oder Muschelweiß ahnten? Vielleicht waren all diese Geschichten von seinen ›Träumen‹, die er jedem erzählte, bereits Teil dieser Täuschung. Hatte Kupferkopf vielleicht schon in seine Planung einbezogen, dass diese Geschichten Muschelweiß zu Ohren kommen würden? Verließ er sich tatsächlich darauf?
Angst erfüllte ihn. Er hielt einen Rankenbogen zur Seite und schlängelte sich daran vorbei; dabei sah er die Rotten der Wachtposten um die Ratshütte. Weitere Posten saßen versteckt in den Ästen hoher Kiefern, um den Strand im Auge zu behalten, und außerdem schritten Wachen über die Plaza, wo Schwarzer Regen und Schwebestern spielten; jeder Krieger hatte ein Atlatl dabei und hielt drei Speere in der rechten Hand.
Biberpfote machte einen großen Bogen um die Dorfgrenze und betrat das Dorf kühn durch die Lücke bei dem alten Eichbaum. Niemand hielt ihn auf. Er marschierte geradewegs durch den Einschnitt auf einem Pfad zwischen vier Hütten hindurch bis zur bevölkerten Plaza.
Furcht lähmte sein Denkvermögen. Er atmete jetzt schnell und flach wie ein gehetztes Kaninchen, seine Brust hob und senkte sich.
Er musste Muschelweiß warnen, bevor sie dieses Dorf betrat…
Brauterpel kniete neben Schwebestern im Spielerkreis um das große Feuer auf der Plaza. Auf dem
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