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Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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keinem Menschen, besonders nicht dem alten Hundszahn. Der bringt die Geistältesten dazu, dich im Schlaf zu erstechen!«
    Ihre Blicke trafen sich; er kniff die Augen leicht zusammen. »Manchmal, Rotalge, höre ich mitten in diesem Gedröhn deine Stimme - nein, nein, sieh mich nicht so an. Es ist kein Traum, es ist ganz wirklich. Ich weiß, ich hätte Großmutter davon erzählen sollen, aber - ich hab's nicht getan.«
    »Was sage ich in dem Traum?« fragte Rotalge.
    »Du schreist mich immer an, aber ich kann die Worte nicht verstehen, der Lärm ist zu groß. Immerhin weiß ich«, sagte er und drückte ihre Hand, »dass du mich warnen willst.«
    »Wovor?«
    »Ich weiß nicht. Aber ich brauche dich, Rotalge. Ich glaube, ich brauche dich sogar sehr.«
    Rotalge ließ ihre Blicke über den Wald schweifen. Sie dachte: Ein Dröhnen wie Donner, der grollend erwacht.
    »Teichläufer«, murmelte sie, »wenn du mich brauchst, dann werde ich an dir kleben wie gekochter Kiefernsaft, aber versprich mir, dass du niemandem von diesem Dröhnen in dir erzählst, nicht einmal Großmutter. Sie würde dann denken, sie müsste eine Ratsversammlung der Geistältesten einberufen, und ich … Bitte tu es einfach nicht! Es wäre nicht gut, nicht nach all dem, was Hundszahn ihnen erklärt hat. Die Ältesten haben dich beobachtet wie Kaninchen, die den Habicht über sich kreisen sehen. Versprichst du mir das?«
    Er zögerte. »Ich verspreche es dir. Aber jetzt komm! Ich habe uns aufgehalten; ich glaube, die blaue Schlange hat mir nur sagen wollen, dass der alte Hundszahn schon am Teich auf uns wartet.«
    Er drehte sich um und warf sich wieder auf den Pfad, den er bäuchlings hinunterglitt wie ein Otter einen glitschigen Uferhang. Als ihn zu viel aufgehäuftes Laub behinderte, stand er auf und kletterte über den Blätterberg.
    Rotalge erhob sich ebenfalls und ging hinunter.
    Teichläufer wartete unten in einem Fächerpalmenhain auf sie. Schwarze Erde und Humus klebten auf seinem Gewand; er wischte sich geistesabwesend ab, als er sie kommen sah. So wie er da stand, wirkte er sehr groß und schlaksig. Das lange weiße Haar hing ihm aus der Kapuze heraus und reichte ihm bis zu den Hüften. Rotalge schüttelte den Kopf; mit dichtem schwarzem Haar wäre er vielleicht ansehnlich gewesen. Aber es spielte ohnehin keine Rolle; so wie Fischschwärme bei einer ins Wasser geworfenen Muschel auseinander flitzen, so rannten die Mädchen in alle Richtungen vor ihm davon, und Rotalge konnte sie nicht einmal dafür tadeln. Teichläufers Augen hatten eine seltsame Wirkung auf Menschen. Wen Teichläufer starr anblickte, der fühlte sich wie nackt, eine Schicht hier abgezogen, eine dort, bis alle Schichten, in die man sich zum Schütze seiner selbst so eifrig eingehüllt hatte, verschwunden waren und die eigenen Seelen schutzlos vor ihm lagen.
    »Ich höre Hundszahn«, flüsterte er, als sie ihn eingeholt hatte. »Er singt ein Totenlied.«
    Verdrossen sagte sie: »Na schön. Dann wollen wir ihn suchen, damit du lernst, wie man mit Geistern spricht, und damit wir vor der Dunkelheit wieder zu Hause sind.«
    Teichläufer lächelte. »Vielen Dank, dass du mitgekommen bist, Rotalge.«
    Rotalge folgte ihm, die Hand auf ihrer Keule, geräuschlos über den ausgetretenen Pfad, der durch die umrankten Bäume und die Fächerpalmen hindurchführte, welche den Teich umstanden.
    »Hörst du Hundszahn immer noch?« fragte sie.
    »Nein, jetzt nicht mehr. Ich -«
    Teichläufer blieb in der westlichen Biegung des Pfads abrupt stehen. Rotalge trat dicht hinter ihn und spähte an seinem rechten Arm vorbei. »Was ist los?« fragte sie. »Siehst du ihn?«
    Teichläufer hob langsam den Arm und wies nach vorn.
    Rotalge machte große Augen und schluckte. »Heiliger Bruder Himmel!«
    In der schwarzen Höhle eines vom Blitz getroffenen Baums saß Hundszahn, die knotigen alten Knie angezogen. Er hielt einen Feuergehärteten spitzen Bestattungsstecken in Händen. Rings um die funkelnden Augen waren weiße Flecken gemalt, aber der Rest seines hageren Körpers war dick mit schwarzer Farbe bestrichen. Ein Geweih, mit grauem Haar bedeckt, ragte über seinem Schädel hoch, als hätte das wachsende Geweih seine Haare mit nach oben gezogen. Er trug einen hirschledernen Schurz und ein Halsband aus polierten Palmensamen. Unter der dicken Schminkschicht sah man die Runzeln in seinem schmalen, uralten Gesicht.
    »Ah, da seid ihr ja«, sagte Hundszahn. »Hab schon gefürchtet, ihr würdet nicht

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