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Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Meine Lungen fielen mir aus der Brust, fielen … fielen … und fielen.
    Ich weiß, es wird jetzt nicht mehr lange dauern. Die Donnereier im Vorgewölbten Bauch des Sturmmädchens sind jetzt ausgebrütet, und eine Wand aus Wasser stürzt herab. Blitzvögel gleiten heraus und schießen sofort in die Höhe; sie schlagen so nahe zu, dass ihre Blitze mich blenden. Meine Augenlider sind verschwunden, und ich kann mich nicht wegdrehen. Ein gespenstisches, durchscheinendes Gespinst senkte sich über Kernholz-Dorf. Der Donner schüttelt die Seelen aus der Welt hinaus.
    Mein Augenlicht wird besser, und etwas anderes gewinnt Gestalt. Es springt behände zwischen den Säcken herum, die von den Dachstangen hängen, leicht wie eine Feder, die auf Atemwölkchen schwebt. Aber nein es ist keine Feder. Jetzt sehe ich es deutlicher. Der Saum seines verblichenen Gewandes wirbelt herum, als es tanzt und sich dreht. Es ist so ausgelassen, so überirdisch, so schön …
    »Wer bist du?«
    »Ich bin die Schildpattpuppe.« Ich kneife die Augen zu. »Ich kann dich nicht gut sehen. Kannst du nicht etwas näher kommen?«
    Die Schildpattpuppe macht einen Radschlag über die Dachstangen hinweg, stürzt dann wie ein Vogel herunter und schwebt auf der Stelle genau über meinen Augen, immer noch tanzend, hin und her, auf und ab, im Takt zu einer Musik, die ich nicht höre.
    Sie ist tatsächlich eine Puppe, aus Schildkrötenhorn gemacht, wie ein Kinderspielzeug. Ihr Gesicht war einmal bunt bemalt, aber im Lauf vieler Sommer sind die Farben so verblasst, dass ich die braunen Augen und den roten Mund kaum erkennen kann. Ein paar Strähnen schwarzen Haares sind am Kopf mit Kiefernharz festgeklebt. Der Rest muss ihr schon vor langer Zeit ausgefallen sein. Ein meisterlicher Weber hat ihre Tunika geschaffen, es sind feine Fäden, eng gewebt aber die Berührung vieler, vieler Hände hat den Stoff verschlissen, überall hängen einzelne Fäden heraus.
    »Du siehst eher wie ein Stachelschwein als wie eine Puppe aus«, sage ich.
    »Und du siehst eher wie ein Paar Rosa-Augen als wie ein Junge aus«, entgegnet sie. »War das eben dein Herz, das da vorbeigeflogen ist?«
    Ich erschrecke, denn ich höre meinen Herzschlag nicht mehr. Dann fühle ich mein Herz, es fällt… und fällt… und fällt und verschwindet lautlos im gähnenden Schlund der Finsternis.
    »Ich wünschte, du hättest es abgefangen«, sage ich. »Ich könnte mein Herz noch gebrauchen.«
    »Wozu? Dein Körper ist doch schon fast ganz weg. Wann hast du deine Seelen verloren?«
    »Vor drei Tagen. Der Heilige Teich -« »Ah ja, der Heilige Teich.« Die Schildpattpuppe macht einen Purzelbaum und hüpft dann um meine Augen herum.
    »Warst du schon einmal am Teich?« Ein ungeheurer Blitz färbt die Welt blau; ich sehe ein leises Lächeln um ihren verblassten roten Mund. »Das kann man sagen. Der Teich war einst ein Loch im Eis. Ich bin drübergekrabbelt, in der Tasche einer alten Frau namens Bruchzweig. Aber das war nicht das erste Mal, dass ich da war, heilige Geister, nein. Der Teich war schon eine ganze Weile vor der Welt da. Viel größer damals. Tatsächlich riesig. Es war das stille Auge des Sturmbläsers, genau der Ort, wo das erste Donnerei ausgebrütet wurde und unsere blaue Welt herauskreiselte.« Die Puppe schlug Rad und hüpfte um mich herum und lachte entzückt wie ein Kind. »Und deswegen bin ich heute Abend hier.« »Warum?«
    »Heilige Leuchtleute! Hat dir denn niemand etwas beigebracht?«
    »Also - ich weiß nicht. Was denn zum Beispiel?«
    Ihre zerschlissene Tunika bauscht sich bei ihren wilden Sprüngen auf. Sie tanzt über die Köpfe meiner Schwester und Großmutter, bevor sie wieder zurückwirbelt. Sie ist ärgerlich. »Vielleicht weiß hier niemand etwas. Also, dann erklär ich's dir. Du bist in den Teich eingedrungen und damit in das Auge. Ein paar Herzschläge lang warst du in dieser Zeitlosigkeit, die herrschte, bevor die Welt geboren wurde. Deswegen hast du deine menschlichen Seelen verloren, damals gab's nämlich noch keine. Also konntest du auch keine haben.«
    »Das verstehe ich nicht. Du bist aus irgendeinem Grund hier, hast du gesagt. Aus welchem Grund?«
    »Ich will bei der Empfängnis dabei sein.« »Was für eine Empfängnis?«
    »Die Empfängnis des Erlösers. Ich habe ihn einst gekannt. Er war ein Teil von mir, und ich habe ihn sehr geliebt. Er wird aus diesem zeitlosen Augenblick hervorgehen, der noch in deinen Augen lebendig ist.« »Aber ich sterbe.« »Und was

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