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Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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macht das aus?«
    Mein Sehvermögen ist plötzlich geteilt, und Todesangst überfällt mich. Die Dachstangen scheinen herabzufallen, während sich der Boden hebt. Farben wirbeln durcheinander, braune, grüne, schwarze, so dass mir übel wird. Die Puppe ist das Einzige, was sich nicht bewegt. Sie ist mein Ruhepunkt. Mein Anker, und ich starre sie unverwandt an. »Schlimm ist das«, sagt die Puppe. »Du hast gerade ein Auge verloren. Jetzt ist nicht mehr viel von dir übrig.«
    »Und was geschieht«, frage ich voller Furcht, »wenn mir auch das andere Auge herausfällt?«
    Ihr fröhliches Lachen perlt um mich herum wie das Lachen eines Kindes, das einen Sommer alt ist - unbekümmert, unschuldig und so rein wie Tau, ein Lachen, das ihre Augen zum Funkeln brächte, wenn sie welche hätte. »Was die Macht von dir verlangt, Teichläufer, ist lediglich Folgendes: Wenn der Blitz in deiner Reichweite ist, musst du die Hand ausstrecken und ihn festhalten. Ist doch einfach, oder?«
    »Nein. Ich habe ja keine Hände mehr.«
    Die Puppe seufzt, und die zerzausten Haare auf ihrem hornigen Kopf stellen sich jetzt nacheinander senkrecht auf und weisen zum Himmel. Aus den Haarenden sprühen Funken wie aus einem Fuchspelz, über den man mit den Händen streicht, und sie wird ganz still.
    »Was ist los?« frage ich. »Was geschieht?«
    »Mach dich bereit«, sagt sie warnend.
    Ich blicke erschreckt in die Runde, als käme ein Ungeheuer aus dem Wald gesprungen, um mich mit Haut und Haar zu verschlingen. Blitze zucken in ununterbrochener Folge über den Himmel und blenden mich, und der Donner brüllt so laut, dass der Boden sich unter mir hebt und schüttelt. Das ganze Dorf müsste jetzt zusammenfallen. Tut es aber nicht. Warum nicht? Dächer müssten einstürzen, die Menschen um ihr Leben rennen. Großmutter und Rotalge schlafen ruhig weiter, atmen tief, mit entspannten Gesichtern. Sind sie taub?
    »Da kommt sie.« Die Stimme der Puppe ist sanft, von Ehrfurcht durchdrungen.
    »Wer?«
    »Die Erste Mutter.«
    Von weit hinten über dem Meer kommt sie in Gestalt eines riesigen Blitzvogels krachend aus dem schwarzen Herz des Sturms und zuckt wolkenzerteilend herab, als sie auf die Erde stürzt. Sie zieht eine fantastische blauweiß flammende Schleppe hinter sich her. Sie kommt näher, und es wird taghell auf der Erde.
    Das Letzte, was ich sehe, ist flüssiges blaues Feuer, das sich über mich ergießt, die Fußmatten und die Stützstangen besprengt und die Hütte mit eisigem Glanz erfüllt.
    Der Strahl durchbohrt mein eines Auge, und blind taumle ich wie ein Falke durch Luft, die geschmolzenes Elfenbein ist.
    Das liebliche Lachen der Puppe durchbricht das Leuchten. Sie singt: »Teichläufers Auge bringt der Welt das Leben. So wie das Sturmbläser-Auge auch. Leben für die Welt, für die ganze Welt!«
    Großmutter! Großmutter!« Mondschnecke schaute kurz auf und sah Klein-Kormoran durchs Dorf laufen, und sie kam zu ihr. Sand wirbelte hinter ihren Fersen auf. Ihre Rufe klangen sehr dringend, aber im Alter von fünf Sommern war vielleicht auch die Mitteilung dringend, dass sie einen unbekannten Fisch am Strand gefunden hatte. Mondschnecke wischte weiter über Teichläufers Stirn.
    Er lag unter einem Berg von Decken, unter denen nur sein bleiches Gesicht und die nassen weißen Haare hervorschauten. Vier Tage lang hatte das Fieber gewütet. Während des Gewittersturms gestern hatte Mondschnecke einen schrecklichen Augenblick lang gefürchtet, sie könnte ihn verlieren. Sie spürte den Tod, der neben der Schulter ihres Enkels stand und ihn beobachtete, wartend … Aber heute ging es Teichläufer anscheinend besser. Er atmete leichter und hatte sogar etwas gegessen.
    Klein-Kormoran kam rutschend zum Stehen und atmete schwer. Sand klebte ihr an Tunika und Füßen.
    »Großmutter!« |
    »Pst! Dein Vetter ist krank.« Mondschnecke warf ihren Lappen in das Gefäß mit kaltem Wasser und blickte ihre Enkelin drohend an, worauf das eckige Gesicht von Klein-Kormoran rot anlief. Sie verschränkte die Hände auf dem Rücken und stand wie zu Stein erstarrt. Nur die dunklen Augen bewegten sich, bemüht, Mondschnecke nicht anzuschauen. »Also gut. Was gibt's so Wichtiges?«
    Die hellbraune Tunika von Klein-Kormoran wehte herum, als sie sich schnell umdrehte und auf die große Hütte am fernen Waldrand deutete. »Schwarzer Regen ist zurückgekommen! Sie hat mich am Arm gepackt und mich bös geschüttelt!« Klein-Kormoran hielt den Arm hoch, um die roten

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