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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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ebenfalls zurück. Das Tappen von Sängerlings Mokassins auf dem Weg war das einzige Geräusch in der Nacht. Vielleicht, wenn die Feuergrube es zuließ, könnte er getrocknete Hirschfleischstreifen kochen und sich eine schöne Brühe zum Abendessen machen, vielleicht mit etwas Salz und sogar mit einigen getrockneten Zwiebeln. Mit Klößchen aus blauem Mais würde sein Magen sicher noch nicht fertig werden, obgleich die Idee …
    Er stolperte über den schwarzen Felsblock und heulte vor Schmerz, als er vorwärts taumelte, um sich zu fangen. Der Krug schien auf einmal so schwer wie ein Fels. »Was soll das denn?« herrschte er den Stein an. »Sieh dir das an! Jetzt hab ich einen Bluterguß im Zeh. Warum kannst du nicht woanders liegen? Du bist häßlich und hast scharfe Kanten. Ich hasse dich!«
    Er holte Atem, um richtig böse loszulegen, doch da hörte er eine Stimme, eigentlich nicht Wörter, es war eher ein Gesäusel, wie wenn der Wind durch trockene Gräser fährt:
    Warum mußt du mich denn auch jeden Tag in den Bauch treten?
    Er stand wie vom Donner gerührt da, mit offenem Mund.
    »Heilige Geister! Hast du gerade etwas zu mir gesagt?«
    Der Fels starrte ihn durchdringend an; Sängerling blinzelte und richtete sich auf.
    »Tut - tut mir leid«, flüsterte er. »Ich wollte dir nicht weh tun.«
    Er ging weiter auf Dünes Haus zu, und dabei überlegte er, ob der Nahrungsmangel schon Wahnvorstellungen in ihm hervorrief oder ob er seine Seele für Stimmen empfänglich machte, die er sonst nicht hören würde.
    Letzteres, Dummkopf. Deswegen fasten Schamanen ja.
    Sängerling grinste und trottete durchs Dunkel. Jetzt versuchte er, liebevoll über jeden Busch zu streichen, den er auf dem Weg zum Wasser so grob getreten hatte. Leider sahen sie alle gleich aus, er wußte nie, ob er auch die richtigen um Vergebung bat. Nun ja, er würde morgen für sie singen, dann wüßten es alle.
    Als er sich dem schäbigen weißen Häuschen im Dickicht näherte, erspähte er einen kleinen runden Kiesel, der auf dem Pfad leuchtete. Er hob ihn auf und steckte ihn in den Mund, damit er seine Zunge vom Plappern abhielt, so daß er vielleicht Stimmen hörte, die ihn aus den Tiefen der Stille anriefen. Er hatte den Verdacht, Düne würde das begrüßen.

16. K APITEL
    Spannerraupe kniete in der Tür zur Kammer der Gesegneten Sonne und hielt Wache. Von dort aus überschaute er das Land hinter Krallenstadt. Reif lag auf den Brachfeldern und den golden gefärbten Felsvorsprüngen des Canyons. Die flachen Felsen schimmerten alle. Unten, nahe der Sohle, waren die Leute von Flußbett-Stadt geschäftig. Wie Krallenstadt lag auch die viel kleinere Flußbett-Stadt in einer großen halbmondförmigen Biegung. Etwa achtzig Leute lebten dort. Priester, ganz in Weiß, standen auf der Plaza, zusammen mit braungewandeten Sklaven. Wölkchen wie Baumwollbüschel schwebten genau über dem Canyon-Rand.
    Was für ein herrlicher Morgen - auch wenn er ihn nicht genießen konnte. Die Kammer des Häuptlings quoll über mit flüsternden Würdenträgern, die alle auf den letzten Atemzug der Gesegneten Sonne warteten. Insgeheim wünschte Spannerraupe, der Häuptling würde endlich abtreten. Dann könnten er und jeder andere in Krallenstadt zu ihrem gewohnten Leben zurückkehren.
    Sein Blick glitt über die leere Plaza, wo schlanke kleine Rauchsäulen aus den Kiva-Einlässen emporstiegen. Der Geruch von brennendem Wacholder wogte zu ihm hinauf. Er sog ihn tief ein und erschauerte wegen der Kälte. Was gäbe er nur, um da unten sein zu können.
    Nordlicht sagte etwas, sehr leise, unhörbar. Kriecher fragte: »Was? Wacht er auf?« »Nein«, erwiderte Nordlicht. »Er hat nur geächzt.«
    Kriecher schaute zu Spannerraupe, und sie wechselten einen verzweifelten Blick. Spannerraupe hatte Kriecher gern, trotz der Eigenheiten des kleinen, dicken Mannes. Kriecher hatte die üble Angewohnheit, private Gespräche zu belauschen und dann jedes Wort zu wiederholen. Doch Spannerraupe gegenüber war er immer respektvoll und freundlich gewesen, vermutlich weil er in Federstein, die Mutter von Spannerraupe, verliebt war.
    Dachsbogen vom Coyote-Clan lehnte an der Südwand, eine Decke über der Schulter. Sein knielanger Kittel war mit Gewitterwolken und Bergen bemalt. Er hatte zwölf Bündel Gebetsfedern zum Aufhängen mitgebracht.
    Spannerraupe betrachtete die geweihten Opfergaben, die in den Luftströmungen des Raums zitterten. Kriecher kam wuchtig heran wie ein kleiner schwarzer Bär und

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